Dahab II

In Deutschland ist es gerade ungewöhnlich heiß, fast wie hier. Nur, dass es hier normal ist. Und hier kann man sich wenigstens jederzeit im Meer abkühlen. Wenn man an dem vom Divecenter nächstgelegenen Privatstrand ins Wasser geht (auch einer unserer häufigsten Tauchspots: „Bannerfish Bay“), kommt man nach links parallel zum Ufer im flachen Wasser über einen schönen Abschnitt mit vielen Korallen entlang. Dort hatten wir auch im Rahmen des Korallen-Identifizierens geübt. Als ich einmal mit meiner Zimmergenossin Stephanie dort schnorcheln war, fielen uns in einiger Entfernung zwei weitere Schnorchler auf, ein Mann und eine Frau. Der Mann schien ihr verschiedene Dinge am Grund zu zeigen, dann tauchte er ein Stück runter, hob mehrere Dinge auf, zeigte sie ihr und warf sie dann achtlos wieder weg. Stephanie und ich sahen uns nur verwundert an und besprachen uns dann kurz: Hatte der Mann gerade tatsächlich Korallen hochgeholt und wieder runtergeschmissen? Wir schwammen zu der Stelle hin, wo er sie fallen gelassen hatte und sahen, dass dort tatsächlich nur abgebrochene Korallen, keine Steine oder so lagen. Wir sahen uns um und begannen den beiden zu folgen. Jetzt hatte der Mann einen langen Stock unter Wasser gefunden und zeigte damit auf Korallen, stieß sie an, fuchtelte in den Anemonen rum und warf den Stock dann auch weg. Stephanie und ich waren inzwischen schon so wütend und fassungslos über diese Rücksichtslosigkeit und mutwillige Zerstörung, dass wir begannen, auf die beiden zu zu schwimmen. Als wir noch ein paar Meter entfernt waren, stand der Mann gerade im Wasser mit einem Fuß auf einer Koralle, mit dem anderen fuchtelte er in einer Anemone rum, um die panischen Fische rauszulocken. Stephanie hielt sich etwas schüchtern zurück, aber ich hatte beschlossen, dass die Zeit des Zurückhaltens nun vorbei war. Ich fragte ihn, was er dort tue… „Nothing, nothing.“ „It didn’t look like nothing. You’re not supposed to touch the corals or stand on them or pick them up, that kills them.” “I didn’t, I swear. I know all that, I’m an advanced diver.” „Ok, but we saw you over there picking up several corals and throwing them back on the ground.“ “I didn’t pick up anything.” “Yes you did, we saw the corals lying on the ground a few metres away.” “I just picked up one piece.”… Aha, auf einmal gesteht er. Advanced diver Arschloch. Wollte nur seine 20 Jahre jüngere Freundin mit seinem ganzen advanced knowledge beeindrucken. Ich war danach immer noch sauer, aber irgendwie auch unsicher, weil ich habe ja nicht das Recht, hier irgendwelche Touris zu belehren. Aber als wir kurz danach den anderen die ganze Story erzählten, sagten alle, auch Nina und Christina, dass ich genau das Richtige getan hätte. „Yes, go all German on them! And if they’re angry now and don’t want to come back, even better for the reefs. We don’t need tourists like that destroying the reason why there is tourism here.” sagte Nina zu mir.  Danach haben Stephanie und ich immer, wenn wir zusammen schnorcheln waren, gesagt: „We’re going on reef patrol.“

Wie bereits im letzten Eintrag erwähnt, haben wir auch einen Nachttauchgang gemacht, es war der erste für mich. Eigentlich ist nicht viel anders, man hat die ganze Zeit eine Taschenlampe in der rechten Hand, dadurch ändern sich die Handzeichen etwas, und es ist halt dunkel. Das heißt z.B., dass viele Korallen ihre Tentakeln ausfahren und andere Fische unterwegs sind, als tagsüber. Meine Lampe gab noch bevor wir ins Wasser gingen den Geist auf und auch die Ersatzlampe war kaputt. Also bin ich ohne eigenes Licht getaucht. Fand ich nicht schlimm, weil ich mich im Dunkeln nicht unwohl fühle und die anderen hatten ja auch noch ihre Lampen. Es war eine beeindruckende Erfahrung, man verliert viel leichter die Orientierung und das Meer erscheint irgendwie noch viel endloser, weil man halt nur sehr wenig davon sieht. Es ist auf eine gute Art und Weise auf jeden Fall auch etwas gruselig. Die Lionfish werden vom Licht angezogen wie Motten und kommen einem viel näher, als man sich das wünscht (sie haben giftige Stacheln), tauchen auf einmal aus dem Nichts neben dem Gesicht auf und schweben wie ein Geist nebenher. Wir haben einen Baby-Oktopus gesehen, eine große Schnecke, die schlafende Schildkröte, Rochen und vor allem eine Vielzahl von Seesternen, die ich hier tagsüber noch nie gesehen hatte. Sinn und Zweck dieses Nachttauchgangs war uns darauf vorzubereiten, wie es ist, im Dunkeln zu tauchen und ruhig und entspannt zu bleiben, auch wenn man fast nichts sieht. Denn danach hatten wir einen „fluorescent night dive“ auf dem Plan. Dabei hat man statt einer normalen Taschenlampe eine Blaulichtlampe und eine gelb getönte Brille über der Taucherbrille. Korallen und auch viele andere Lebewesen besitzen fluoreszierende Proteine, die wir mit unseren langweiligen Menschenaugen normalerweise nicht wahrnehmen können. Mit entsprechender Ausrüstung sieht man aber so einiges. In neon-grün oder rot leuchten auf einmal Korallen, Würmer und auch einige Fische. Um ein Foto zu machen muss ich die gelb getönte Brille erst einmal abnehmen und dann vor die Kameralinse halten. Und dann möglichst lange still halten, wegen des geringen Lichteinfalls. Es ist eine Kunst für sich, wenn man nicht das richtige Equipment für solche Fotos hat. Eins ist halbwegs wenig verwackelt. Ansonsten war auch dieser Tauchgang etwas ganz besonderes. Wir haben abgesehen von den ganzen schönen Neonfarben eine riesig gigantische Muschel/Schnecke gesehen. Das Gehäuse war sicher 30-40 cm und das Tier hat sich langsam über den Grund bewegt. Wir haben nach dem Tauchgang weder mithilfe eines Buchs noch durch Suchen im Internet herausgefunden, was es war. Aber es war mega cool. Und im Hellen hat keiner von uns es je wieder gesehen. Das Meer ist ein mysteriöser Ort und birgt viele Geheimnisse. Wie poetisch.

Mit den Masterstudenten bin ich wirklich super ausgekommen. Sie machen das Projekt im Rahmen eines Pflichtpraktikums und mussten einiges an Präsentationen und Berichten anfertigen. Dabei habe ich ihnen öfters neugierig über die Schultern geguckt und mich auch bereit erklärt, ihre ganzen Sachen Korrektur zu lesen. Nicht, weil mir das so viel Spaß macht, sondern weil mich der Inhalt interessiert hat. Am 12.06. hatten die fünf dann auch ihren Abschlussabend bei RSEC. Es gab ein leckeres beduinisches Buffet und dann hielt jeder einen Vortrag zu einem speziellen Thema, mit dem er/sie sich in den letzten Monaten besonders auseinander gesetzt hatte. Es war wirklich super und meine Motivation Meeresbiologin zu werden hat sich auf jeden Fall noch etwas weiter gesteigert. Nach diesem schönen Abend reisten die Masterstudenten einer nach dem anderen ab. Mit Eleonora und Stephanie und ein paar Ägyptern verbrachte ich allerdings noch einen tollen Abend an einem abgelegenen Strand, wo man biolumineszierende Organismen gut beobachten kann, weil die Lichter der Stadt nicht stören. Wir sind im Stockdunkeln zu dem Strand gefahren, ausgestattet mit Schnorcheln und Taucherbrillen und sind im Wasser herumgeschwommen. Bei jeder Bewegung leuchtet es irgendwo auf. Das gleiche Phänomen hatte ich in Kenia schon einmal beobachtet, dort war es noch viel krasser, da ging ein richtiges Leuchten vom Wasser aus, sobald man hineingelaufen war. Aber hier war’s auch schön. Wir saßen dann noch lange am Strand und beobachteten den schönen Sternenhimmel und dachten über das Universum und die Menschen und alles Mögliche und Unmögliche nach. Ich muss zugeben, dass auch etwas ägyptisches Gras im Spiel war. Muss man ja auch mal probiert haben.

An einem anderen Tag hatte ich mit Yens nach dem Tauchgang auch mal etwas Komisches geraucht. Wir saßen mitten im Nirgendwo unter einem kleinen Holzverschlag im Schatten und warteten mit den zwei Fahrern auf die andere Tauchgruppe. Da fiel uns die komische Zigarette des einen Mannes auf und Yens fragte, was es sei. Irgendwie antwortete er nur ganz vage, es sei eine „bedouin cigarette“. Als Yens fragte, ob er mal ziehen könne, drehte der Fahrer ihm eine eigene, die wir uns dann teilten. Es war definitiv kein Tabak, aber auch kein Gras, sah aus wie klein geschredderte hellgrüne Blätter und schmeckte eigentlich ganz gut. Wir wissen immer noch nicht, was es war, nur, dass Yens danach tiefenentspannt war und ich viel gekichert habe und die anderen von uns genervt waren.  An diesem Tag hatten wir übrigens einen weiteren coolen Oktopus gesehen, während Nina zu Beginn der Gutachten immer die „transect line“ auslegt (an der entlang wir dann Korallen untersuchen, Fische zählen usw), müssen wir immer abwarten. Und da die erste Zweiergruppe immer die „Fischgruppe“ war, die mindestens 10 Minuten warten musste, bis alle Fische sich wieder „normal“ verhalten, nachdem Nina vorbeigeschwommen war, mussten die anderen noch etwas länger am Startpunkt verharren. Während des Wartens kann man sich ganz entspannt des Unterwasserlebens erfreuen. Und besonders erfreut war ich, als ich einen relativ großen Oktopus direkt neben mir sitzen sah. Nachdem Yens endlich mein Gewinke bemerkt hatte, verfolgten wir den Oktopus gespannt, wie er von Fels zu Fels schwamm/glitt/kroch/schwebte und sich dabei so schnell jeder neuen Umgebung anpasste, das wir ihn nicht gesehen hätten, wenn er sich nicht fortlaufend bewegt hätte. Wieder aus dem Wasser konnten wir uns vor lauter Oktopusbegeisterung kaum zurückhalten. Es ist ein Segen und ein Fluch zugleich, dass man sich unter Wasser immer eine Stunde lang nicht unterhalten kann, außer durch Handzeichen natürlich. Aber kaum konnten wir wieder sprechen, steigerten wir uns beide in ein ausführliches Gespräch über Oktopusse rein, das damit endete, dass Yens mir erzählte, dass es, vor allem in Asien, Pläne gebe, riesige Oktopus-„Aquakulturen“ zu etablieren. Als ob die Menschheit nicht schon genug dumme Dinge getan hätte, um die Meere und ihre Bewohner zu zerstören. Ein aktueller Artikel dazu hier: https://www.theguardian.com/environment/2019/may/12/octopus-farming-unethical-and-threat-to-food-chain

Die Begeisterung für die Unterwasserwelt im Roten Meer ließ auch während meines gesamten Aufenthalts kein bisschen nach. Im Gegenteil, je mehr man über die Tiere und Pflanzen wusste, desto interessanter wurde es. Irgendwie wurde es auch normal, dass wir uns als angehende Biologen in ewigen Diskussionen verfingen, welche denn nun aus welchen Gründen auch immer unsere Lieblingskorallen seien und welcher Fisch der beste war usw. Ich habe mir da auch ausgiebig Gedanken drüber gemacht. Lieblingskorallen: Platz 3:  Feather coral, Platz 2: Leather coral, Platz 1: Pocillopora, auch raspberry coral gennant, sieht aus wie eine Himbeere, deshalb natürlich auf meinem persönlichen Platz eins, weil Himbeeren toll sind. Bei den Fischen sieht es folgendermaßen aus: Platz 3: Porcupinefish, Platz 2: Crescent-tail bigeye (den ich lieber „Vali-Fisch“ nenne, weil er genauso aussieht, wie wenn meine Schwester Valerie schmollt), Platz 1: Red Sea Walkman (siehe Fotos hier und auf meinem Handy auch tolle Videos). Rochen, Wirbellose und Schildkröten lasse ich jetzt mal außen vor, sonst nehmen diese Listen kein Ende.

Nachdem wir nur noch zu dritt im Projekt übrig waren, beendeten wir die letzten Surveys zu Korallenschäden. Beim Allerletzten sahen wir sogar eine große Schildkröte, die direkt an unserer Leine hängen blieb und befreit werden musste und einen Oktopus, der sich ein paar Zentimeter neben der transect line zum Schlafen niedergelassen hatte.

Nach dem Ende des Ramadan wurde die Stadt auch etwas lebendiger und wir waren morgens um 8 nicht mehr die ersten auf der Straße. Viele Ägypter kamen vom Urlaub bei ihren Familien in Kairo oder Alexandria zurück und auch im Divecenter waren wieder alle Angestellten vollzählig. Die Fahrten zu den Tauchspots wurden noch abenteuerlicher, weil mehr Autos tagsüber unterwegs waren. Was ich bisher über die ägyptische Fahrweise vergessen habe zu erwähnen: Im Kreisverkehr kann man in beide Richtungen fahren, Hauptsache man hupt dabei laut genug. Generell ist Rechtsverkehr eher ein nett gemeinter Vorschlag, keine strikte Regel. Wer am lautesten hupt hat Recht, daran zumindest halten sich alle.

Nachdem wir mit dem Projekt fertig waren, hatte ich noch eine Woche Zeit. Die nutzte ich aus um einen „Nitrox“-Kurs zu belegen, das bedeutet, man hat in seiner Druckluftflasche keine komprimierte Luft mit 21% Sauerstoff, sondern üblicherweise 32 oder 36% Sauerstoff. Das bedeutet vor allem weniger Stickstoff, weniger Risiko für eine Dekompressionskrankheit, längere Tauchzeiten usw. Der Kurs war allerdings nur praktisch und relativ unspektakulär. Am Tag danach begann ich meinen Rettungstauchkurs. Der war um einiges spannender. Wir mussten ein umfangreiches Buch lesen, ein stundenlanges Video gucken, sprachen die ganze Theorie durch und vor allem führten wir unzählige praktische Übungen im Wasser durch. Wie geht man mit einem bewusstlosen Taucher unter Wasser um, wie an der Oberfläche, wie kriegt man ihn am besten an Land, wie beruhigt man jemanden, der eine Panikattacke hat… Es war ein super Kurs, drei spannende und anstrengende Tage mit schriftlichem Test am Schluss. Und dann waren meine letzten drei Tage schon angebrochen, zwei letzte Tauchgänge, einer davon ganz in der Nähe zum kleinen Unterwassermuseum von  Dahab, inklusive Elefant und Mumie. Danach verbrachte ich immer noch sehr viel Zeit im Wasser, aber nur auf schnorchelnde Weise. Auch Freitauchen übte ich etwas weiter, es macht fast genauso viel Spaß, wie Gerätetauchen. Vor allem toll daran ist, dass man wenig vorbereiten oder planen muss und kaum Equipment braucht. Dabei hatte ich auch am vorletzten Tag eine unglaubliche Erfahrung mit einer Schildkröte, die eine halbe Stunde lang ganz nah neben mir her schwamm und mich neugierig beäugte.

Es war einfach unglaublich hier, ich habe viel gelernt, mehr als in einem ganzen Semester Uni. Ich bin meeresbegeisterter denn je. Ich bin durch die ganzen Gutachten viel sicherer beim Tauchen geworden und habe endlich den Rescue Diver gemacht. Ich habe tolle Leute kennengelernt und verrückte Sachen erlebt. Mehr hätte ich mir im Vorhinein echt nicht wünschen können. Ein voller Erfolg. Und auch wenn ich das Meer nach einem halben Tag schon sehr vermissen werde, freue ich mich nun auf meine Familie und meine Freunde in Berlin und danach auf den kühlen Sommer zu Hause in Schottland.

Dahab I

Die ersten drei Wochen in Dahab sind vergangen wie im Flug. Irgendwie vergeht Zeit ja immer viel zu schnell, aber besonders, wenn man es gerade nicht will, weil das Leben am Meer einfach zu schön ist.

Am Tag meiner Ankunft hier, ging ich als erstes in die Tauchschule, wo ich Christina kennenlernte. Christina ist die Assistentin von Nina, die das Projekt (RSEC = Red Sea Environmental Centre) hier leitet. RSEC kooperiert mit Reef Check, das ist eine internationale Organisation, ansässig in Kalifornien, die weltweit Daten von verschiedenen Projekten zu Korallenriffen sammelt, auswertet und über die Jahre vergleicht.

Christina ist auch Deutsche, war letztes Jahr hier als Praktikantin und ist zurückgekommen, seit Januar ist sie schon hier. Sie beschrieb mir den Weg zum Haus, wo alle Praktikanten wohnen. Es ist wirklich nur zwei Minuten geradeaus zu Laufen und eigentlich nicht zu verfehlen, aber irgendwie habe ich es trotzdem geschafft, zweimal verloren zu gehen und mit meinem ganzen Gepäck in der Hitze eine halbe Stunde herumzuirren, bis Christina mich eingesammelt und hingebracht hat. Ich schiebe es auf die 45 Grad, die lange Busfahrt von Kairo und den Schlafmangel. Aber so richtig verstehe ich heute immer noch nicht, wie ich es geschafft habe, mich so blöd anzustellen. Das Haus hat zwei Stockwerke, unten wohnen die beiden Jungs und Christina, oben mit mir noch fünf weitere Mädels, zwei weitere Deutsche, eine Slowakin, eine Italienerin, eine Kanadierin, die beiden Jungs sind aus Spanien und Belgien. 5 von ihnen studieren einen internationalen meeresbiologischen Masterstudiengang und sind schon seit April da, insgesamt zwei Monate.

Nach meiner Ankunft habe ich vergeblich versucht mich etwas auszuruhen, aber wenn einem nach der Dusche im Liegen nur so der Schweiß rinnt, mach Ausruhen keinen Spaß. Und Christina hatte mir angeboten, direkt meinen ersten Tauchgang zu absolvieren, was eine sehr willkommene Abkühlung bedeutet… Wir gingen direkt gegenüber vom Tauchzentrum ins Wasser und machten zunächst ein paar grundlegende Übungen, weil mein letzter Tauchgang schon so lange her war. Keine Probleme und das Wasser ist so schön klar und kühl. Eine Wonne. Nach dem Tauchgang lernte ich auch Torsten, den Manager der Tauchschule kennen, auch Deutscher, er wohnt schon seit 12 Jahren hier. Über der Tauchschule gibt es einen Außenbereich und drei kleine Räume, die zu RSEC gehören. Außerdem wohnen hier zwei süße Katzen. Nessie, sie ist eine kleine Diva, aber trotzdem sehr kuschelig, und Ginger. Alle nennen sie nur „Ginger bitch“, weil sie sehr garstig sein kann (und außerdem sehr fragwürde Schnarchgeräusche von sich gibt, auch wenn sie gerade nicht schläft). Zu mir ist sie immer total verschmust und lieb. Die anderen sagen, sie mag mich nur, weil wir die gleiche Haar-/Fellfarbe haben.

 

 

Am nächsten Tag hörten wir einen einführenden Vortrag von Nina und Christina über die verschiedenen Korallenarten, die wir zu unterscheiden lernen sollten. Wir übten dann ca. eine Woche lang unter Wasser, hatten auch Tests und lernten zudem die verschiedenen Krankheiten der Korallen und Beschädigungen durch z.B. Fische und Schnecken zu unterscheiden. Mir war vorher ehrlich gesagt überhaupt nicht bewusst gewesen, wie viele unterschiedliche Korallen es gibt und auch nicht die vielen unterschiedlichen Auslöser für Krankheiten/Beschädigungen/Tod der Korallen. Mit der Korallenbleiche ist es hier nicht so schlimm, wie z.B. im Great Barrier Reef. Dafür verursachen Menschen viele Schäden, viele trampeln in Ufernähe ohne zu gucken auf den Korallen herum, viel Müll landet im Wasser, viel Abwasser, Angelschnüre, die sich dann an den Korallen verfangen usw. Ab und zu gibt es auch Plagen: Algenplagen, die das Ökosystem ins Ungleichgewicht bringen oder vor ein paar Jahren gab es auch vielerorts Dornenkronen-Seestern-Plagen. Diese großen, gestachelten Seesterne setzen sich auf die Korallen, vor allem auf die Art Acropora, und „saugen sie aus“, bis die Koralle tot ist. Einen solchen Seestern habe ich hier gesehen, aber eine Plage gibt es aktuell zum Glück nicht.

Apropos Acropora, beim Tauchen verständigt man sich mit Handzeichen und wenn wir uns die Korallen ansehen, gibt es für jede Spezies ein bestimmtes Handzeichen. Das für Acropora ist wie das Peace-Zeichen. Irgendwie wurde es zu unserem Dauergag unter angehenden Biologen, wenn jemand (über Wasser) Peace zeigte, laut Acropora zu rufen. Das fanden auch nur wir witzig.

In unserer Gruppe sind wir immer gut miteinander klargekommen. Außer, wenn es ums Putzen ging. Genau deshalb wohne ich gerne alleine. Die Mädelswohnung war von Anfang an etwas chaotisch, aber wenn sich dann bei der Hitze der Müll sammelt und nicht abgespült wird, entsteht so nach und nach die eine oder andere Ameisenstraße und Kakerlaken erfreuen sich der Essensreste. Als ich das erste Mal unten in der Wohnung der Jungs war, bekam ich fast einen Schock. So ordentlich und sauber! Es wirkte fast steril und unwirklich. Aber gut, wir sind auch doppelt so viele Bewohner oben (mit zehnmal so viel Unordnung…). Abgesehen davon und trotz dessen wohne ich aber gerne hier, es ist nah am Tauchzentrum und unten gibt es auch eine kleine Terrasse, wo wir abends oft zusammen sitzen. Ich komme generell mit fast jedem Menschen gut klar, aber es ist doch noch einmal etwas anderes, wenn man von Leuten umgeben ist, die das gleiche Ziel vor Augen haben und gleiche Prioritäten setzen. Es ist einfach angenehm, wenn man sich nicht erklären muss, warum man sich vegan ernährt, weil alle im Haus Vegetarier oder Veganer sind. Oder warum man noch einmal angefangen hat zu studieren nur um vielleicht einen winzigen Beitrag zum Erhalt der Ozeane zu leisten. Es ist angenehm, wenn alle sich ohne vorherige Absprache einig sind, dass nur einkaufen gegangen wird, wenn es ohne Plastiktüten geht, dass kein Essen weggeschmissen wird, dass alles, was sich trotzdem an Plastik ansammelt, soweit es geht wiederverwendet wird und man seine Trinkflasche jeden Tag am Wassertank auffüllt. Es sind eigentlich nur Kleinigkeiten, aber ich weiß es sehr zu schätzen.

 

 

Aber selbst wenn man so wenig Müll wie möglich produziert, man produziert trotzdem Müll. Und mit der Müllabfuhr in Dahab klappt es nicht so wirklich. An den Containern sieht es immer aus wie ein Schlachtfeld, weil sich streunende Katzen und Hunde über den Müll hermachen bis alles weit verstreut ist. Aber viel schlimmer ist, dass das Bewusstsein bei den Menschen fehlt. Sie haben einen wunderschönes Meer direkt vor der Tür und trotzdem landet leider sehr viel Müll im Wasser. Bei jedem Tauchgang oder beim Schnorcheln bringen wir so viel wieder mit raus, wie möglich. Vieles davon weht von den Straßen ins Meer. Auf den Straßen landet es, weil es kaum Mülleimer gibt und viele Menschen zu faul sind, es bis zum nächsten mit sich zu tragen. Die Straßen abseits von der Promenade (wo jeden Tag gefegt und aufgeräumt wird) sehen katastrophal aus. Und Nina erzählt uns einige Gruselgeschichten, dass auch Korruption für Umweltverschmutzung sorgt. Beim Verlegen neuer Abwasserleitungen wurde wohl das von der Regierung zur Verfügung gestellte Geld teilweise einbehalten, dafür wurden weniger und qualitativ schlechtere Rohre verlegt und ein Großteil direkt ins Meer geleitet.

Die größte Herausforderung für uns alle ist die Hitze. Es ist immer heiß, man schwitzt immer und sobald mal ein angenehmer Wind weht oder man eine Klimaanlage zur Verfügung hat, erkältet man sich. Das ist besonders blöd fürs Tauchen. Deshalb haben wir versucht im Haus auf die Klimaanlage zu verzichten. Stattdessen laufen alle halbnackt durch die Gegend und zum Schlafen haben wir es uns angewohnt ohne Klamotten oder Decke, aber dafür mit einem nassen T-Shirt oder Handtuch auf dem Oberkörper zu schlafen. Selbst dann wacht man meistens zwischen 5 und 6 wieder schweißgebadet auf.

Wir waren fast jeden Tag tauchen, meistens für die Korallengutachten, manchmal aber auch einfach aus Spaß. Es gibt extrem viele schöne Tauchspots in der Umgebung. 2-3 sind hier direkt im Stadtzentrum, welches vor allem aus einer Promenade besteht, die am Wasser entlangführt. Auf der zum Wasser zugewandten Seite befindet sich ein Restaurant neben dem anderen, die Eingänge zur Promenade und sehr schöne Sitzplätze direkt am Wasser. Zwischen den Restaurants befinden sich ein paar private Mini-Strände, die hauptsächlich als Einstiegsort für Taucher genutzt werden, an manchen Stellen aber auch für Stand-Up-Paddler, Schnorchler usw. Auf der anderen Seite der Promenade befinden sich kleinere Supermärkte und Souvenirshops, wo verhandlungsunfähige Touristen ordentlich übers Ohr gehauen werden. Ein Stück weiter in eine der größeren Seitenstraßen rein kommt man zur German Bakery. Dort gibt es bessere (und auch billigere!) Laugenbrezeln und –stangen, als ich jemals in Berlin gegessen habe. Sie haben im Vergleich zu allen anderen Läden auch schon früh morgens offen, auch während des Ramadan. Wenn wir manchmal wegen der Gezeiten sehr früh zu unseren Tauchgängen aufbrechen mussten, hat meistens einer eine Sammelbestellung aufgenommen und es gab unterwegs Frühstück aus der Bäckerei. Übrigens auch hilfreich, wenn man dann doch Reisedurchfall bekommt (ich hatte ja vergeblich gehofft, mein Körper könnte sich inzwischen gegen jegliche afrikanischen Keime verteidigen) und sich eine Woche von Cola und Brezeln ernähren muss. Danke an die exzellenten Brezelbäcker für ihren erheblichen Beitrag zur Festigung meines Stuhlgangs.

Wenn man über die Promenade läuft, will dich alle paar Sekunden jemand überreden, bei ihm Souvenirs zu kaufen oder zum Essen zu kommen. Insgesamt habe ich es hier aber nie als unangenehm empfunden, alle sind sehr freundlich und zuvorkommend und akzeptieren auch ein „No thank you“, oder wie es im Arabischen heißt „La Sukran“. Das hatte mir George in Kairo beigebracht: „Always remember the basic vocabulary for tourists: La Sukran. If you can’t remember “Sukran”, it sounds like what you have to do: shake and run before it’s too late and you can’t get away.” Morgens ist die Promenade aber eh wie ausgestorben, auch nach Ende der Fastenzeit. Mittags ist es zu heiß, da hat zwar einiges schon offen, aber es ist nicht viel los. Erst am späten Nachmittag/ Abend wird es voll auf der Promenade. Was mich positiv überrascht hat, ist die anscheinend relativ geringe Kriminalität in Dahab. Auch wenn man seine Sachen kurz an einem öffentlichen Ort stehen lässt, wird nichts geklaut, die Restaurants an der Promenade z.B. haben noch nicht einmal Türen mit Schlössern, sie sind nachts einfach offen. Auf den Sitzpolstern übernachten die Mitarbeiter, wenn es in ihren Häusern zu stickig ist oder sie zu weit weg wohnen und am nächsten Tag wieder arbeiten müssen. Das (teilweise sehr teure) Tauchequipment steht oftmals auf der Straße herum, ohne dass jemand auch nur auf den Gedanken kommen würde, etwas zu klauen. Generell werden Touristen sehr respektvoll behandelt und man merkt, wie sehr auch diese Stadt unter den Folgen der Revolution gelitten hat. Die Stadt lebt vom Tourismus und jeder Besucher ist mehr als willkommen.

 

 

Zu den meisten Tauchspots müssen wir erst eine Weile hinfahren. Das ist gerade in der Hitze immer eine unglaubliche Anstrengung. Jeder hat seine Tauchbox mit Neoprenanzug, Flossen usw., einen Bleigürtel und dann, je nachdem, wie viele Tauchgänge wir machen, entsprechend viele Druckluftflaschen. Das muss alles vom Tauchcenter mit einem Trolley zu einem Auto gezogen werden, hinten auf den Pickups verstaut werden, denn sitzen wir meistens zu sechst oder siebt aneinander geklebt im Auto. Unterwegs kommen wir an kleineren Häuseransammlungen vorbei, wo das Hauptfortbewegungsmittel Kamele sind. Auf der Straße kommt man oft nur hupend voran, weil sie voller Ziegen ist, die gerade ein Nickerchen halten. Auch viele Kinder rennen winkend auf der Straße hinter den Autos her und versuchen hinten auf die Pickups aufzuspringen, um ein Stück mitzufahren. Einmal waren wir schon weit außerhalb der Stadt und sahen einen kleinen Jungen hinter seinem entflohenen Kamel herrennen. Das Kamel legte ein ganz schönes Tempo vor, schließlich erbarmte sich unser Fahrer, ließ den Jungen hinten aufspringen und fuhr zügig dem Kamel hinterher, das der Junge schließlich wieder einfangen konnte. Wenn wir dann  am Ziel angekommen sind, muss erst einmal alles wieder abgeladen werden. Dann baut jeder sein Equipment zusammen und dann kann man sich endlich im Wasser abkühlen.

 

 

45 bis 60 Minuten geht ein Tauchgang durchschnittlich, wenn wir einen Tieftauchgang machen deutlich kürzer, wenn wir die Gutachten in fünf Meter Tiefe machen, geht es meistens über eine Stunde. Abgesehen von Korallen sieht man natürlich auch viele andere coole Lebewesen, meine Favoriten sind die Oktopusse. Ich habe glücklicherweise schon mehrere gesehen, einmal auch zwei sich paarende Oktopusse, das sieht man wirklich nicht allertage. Aber was mich jedes Mal wirklich vom Hocker haut, ist ihre Fähigkeit, innerhalb von Millisekunden die Farbe und Struktur ihrer Haut zu ändern. Für alle interessierten, habe ich auch Videos, die kann ich hier nicht hochladen. Abgesehen von Oktopussen, habe ich schon zwei Schildkröten gesehen, die eine wohnt ein paar hundert Meter von hier. Wir haben einen Nachttauchgang gemacht und sie schlafend unter ihrem Felsen gesehen, sah ein bisschen aus, wie ein eingeparktes Auto, die Lücke unter dem Felsen wie gemacht für sie. Und ein Riesenvieh ist das! Langsam kann ich auch die verschiedenen Fische unterscheiden, sehr gerne fotografiere ich die Anemonenfische, sie sind sehr neugierig, aber können auch aggressiv werden, wenn man ihrer Anemone zu nahe kommt, insbesondere, wenn sie dort gerade ihre Eier bewachen. Papageienfische beschädigen zwar viele Korallen, lächeln aber immer so süß!

 

 

Einen Tag haben wir einen Bootsausflug gemacht und dann vom Boot aus zwei Tauchgänge und etwas Herumgeschnorchle. Es war unglaublich schön mit dem Boot über das türkise Wasser zu fahren und das Korallenriff, wo wir tauchten, war definitiv das bunteste, das ich bisher gesehen hatte. Eine Schildkröte haben wir dort auch gesehen. Der eine Tauchguide wohl auch einen Hai, aber der war so schnell weg, sobald alle im Wasser waren, dass ich leider nichts von ihm gesehen habe.

 

 

Dafür hat Nina zwischendurch immer wieder auf kleine Fischschwärme in einiger Entfernung gedeutet. Es waren ziemlich große Fische, aber nur ca. 10 Stück. Ich habe erkannt, dass es Thunfische sind, aber nicht so richtig Ninas Aufregung deswegen verstanden. Als wir wieder auf dem Boot waren, fragte ich sie, ob es hier nur selten Thunfische gab…? Daraufhin sagte sie: „Nicht nur hier, man kann sich inzwischen überall auf der Welt glücklich schätzen, wenn man überhaupt mal einen Thunfisch sieht.“ Viele Thunfischarten sind leider inzwischen gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Und das gilt natürlich nicht nur für Thunfische. Ca. 90% der weltweiten Fischbestände sind überfischt oder gefährdet. Als ich noch bei Sea Shepherd gearbeitet habe, haben uns häufig Leute gefragt, welchen Fisch man denn guten Gewissens noch kaufen könnte. Die Wahrheit ist: gar keinen. Zusätzlich zur Überfischung der Meere sterben durch die kommerzielle Fischerei ja auch alle möglichen anderen Tiere, 40% von allem, was in den Netzen landet, ist Beifang: Delfine, Wale, Haie, Schildkröten usw. Diese verenden in den Netzen und werden zurück ins Wasser geschmissen. Aquakulturen sind auch keine Lösung des Problems, da die Fische dort mit Fischmehl gefüttert werden. Es werden ca. 4 kg wildgefangener Fisch verfüttert um ein Kilogramm Lachs zu züchten. Das ist doch alles pervers!!! Hinzu kommt noch, dass die Fische in den Aquakulturen in ihren eigenen Fäkalien schwimmen. Um dadurch verursachte Infektionen zu reduzieren, bekommen die Fische Antibiotika, welche Rückstände im Fischfleisch und im Wasser hinterlassen. Das Argument, Fisch zu essen sei gesund, ist absoluter Schwachsinn. Proteine und ungesättigte Fettsäuren können wir auch durch pflanzliche Nahrung aufnehmen. Hinzu kommt, dass in Fischen immer mehr Mikroplastik, Quecksilber und viele andere schädliche Substanzen gefunden werden, die Menschen beim Essen mit aufnehmen. Wenn ich hier im Wasser bin, freue ich mich so sehr über all das Leben im Wasser, wenn ich die Fische dann tot auf Eis in den Auslagen der Restaurants auf der Promenade sehe, bricht es mir fast das Herz. In der Hinsicht bin ich meinem 7 Jahre alten Ich treu geblieben. Die meisten Menschen sehen Fische noch nicht einmal als individuelle Lebewesen mit Gefühlen und eigenen Charakterzügen, man sieht es an der kommerziellen Fischproduktion: Fischfang wird (im Gegensatz zur Abschlachtung von Kühen, Schafen, Hühnern, Schweinen usw., wo die Nummer der Tiere angegeben werden kann) in Tonnen angegeben. Dabei haben Fische, genauso wie Hühner, genauso wie Menschen ein Recht, als Individuum angesehen zu werden. Wenn man jeden Tag im Wasser verbringt, wie ich momentan, lernt man sie immer besser kennen und erkennt ihre Eigenarten und Verhaltensweisen. Umso mehr schmerzt es dann, wenn man sich die von RSEC erhobenen Daten ansieht und einen deutlichen Rückgang aller größeren Fischarten sieht. Inzwischen werden daher auch kleinere Fische gefangen. Irgendwann werden keine mehr da sein, wenn das so weiter geht. Jedes Mal, wenn man einen Fisch isst oder kauft, unterstützt man damit die Überfischung, man unterstützt die sinnlose Tötung des Beifangs und es ist noch nicht einmal gesund für den menschlichen Körper. Und das alles für fünf Minuten des Genusses während man den Fisch isst. Das kann es keinem Wert sein. Es gibt genügend mindestens genauso leckere Lebensmittel, bei denen man weniger Schaden anrichtet. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Wenn Menschen weiter Fisch essen wollen, wird weiter Fisch gefangen. Es ist, wie wählen zu gehen, mit jedem Fischkauf stimmt man dafür, dass es weiter geht mit der Überfischung, dem Artensterben und der Zerstörung der Ökosysteme in den Meeren, die wir Menschen aber zum Überleben auf diesem Planeten brauchen. Ich kann verstehen, dass es schwierig ist, Angewohnheiten zu ändern, besonders Essensgewohnheiten, aber jeder Mensch, der aktuell auf der Erde lebt muss sich damit abfinden, dass sich die Bedingungen geändert haben. Die Menschheit hat schon so viel zerstört, dass man nichts mehr tun kann, ohne sich über die Konsequenzen bewusst zu sein. Meiner Ansicht nach sollte jeder seinen Teil dazu beitragen, etwas gegen die Zerstörung der Ökosysteme zu tun, auch wenn man persönlich nicht daran Schuld ist. Nicht nur im Jetzt und Hier leben, einen Fisch essen, weil es jetzt gerade so gut schmeckt, sondern auch über die Zukunft der Ozeane und der Fische nachdenken.

Ich weiß, es ist ein ziemlich humorloser Abschluss meines Blogeintrags, aber das Thema liegt mir eben sehr am Herzen, insbersondere seit ich hier bin.

Ein kurzes, aber informatives Video zum Thema:

 

 

 

 

 

 

Kairo

Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass ich während des Ramadans in ein überwiegend muslimisches Land gekommen bin. Gewusst habe ich es vorher nicht. Ich war auf jeden Fall etwas überrascht, als ich an meinem ersten Tag hungrig mittags etwas essen gehen wollte und alles geschlossen hatte. Es wird ca. 18:00 dunkel und ab 19:00 kann man überall etwas zu essen finden. Irgendwie wird man dadurch gezwungen auch zu fasten tagsüber. Aber ein paar Snacks und Getränke kann man auch tagsüber in den Supermärkten finden. Supermarkt ist hier eher zu vergleichen mit einem Mini-Späti, aber wenigstens befindet sich ein solcher direkt vor dem Hotel. Abgesehen davon ist es natürlich angenehm, wenn während des Ramadans weniger Touristen da sind und ich daher bis auf eine Nacht das 4er-Zimmer für mich alleine hatte. Dafür schließen aber auch fast alle Sehenswürdigkeiten usw. spätestens um drei nachmittags.

Also schnell noch irgendwo hin. Einen frisch gepressten Orangensaft bekommt man (auch tagsüber) an jeder Ecke. Für umgerechnet 50 ct. Genau das richtige bei 47 Grad. Danach schnell ins ägyptische Museum, ist nur 10 min zu Fuß entfernt. Eigentlich nur 5, aber man braucht ewig um die Straßen lebendig zu überqueren. Ich habe ohne Tour oder Audioguide zwei Stunden dort verbracht bis ich rausgeschmissen wurde. Es ist unglaublich beeindruckend, ich komme aus dem Staunen immer noch nicht raus. Die alten Ägypter waren ein so fortschrittliches Volk, man kann sich kaum vorstellen, was hier vor 5000 Jahren alles passiert ist. Die Sarkophage alle bis ins letzte Detail perfekt aus Stein gemeißelt, manche auch aus Holz mit Farben bemalt, die Verzierungen und Inschriften so fein, genauso wie der Schmuck der Pharaonen, die Mumien so gut erhalten. Es gibt einen extra Tutanchamun-Raum, wo man die berühmte Maske sehen kann, die er trug, als er beerdigt wurde. Alles in allem auf jeden Fall einen Besuch wert. Und als Student bezahlt man hier fast überall ca. die Hälfte.

Nach dem Museum bin ich ein bisschen am Nil entlang gelaufen und habe nach Krokodilen gesucht. Die wurden in den meisten Gebieten allerdings von Menschen fast ausgerottet. In Ägypten gibt es wohl nur noch welche am Nasser-Stausee. Danach bin ich etwas planlos durch die Gegend gelaufen und kam in einen Bezirk namens „Garden-City“. Man kann überall umherlaufen, aber an jeder Ecke sind Absperrungen für Autos und Militärkontrollen. Mir wurde dann auch klar warum, dort befindet sich die amerikanische Botschaft. Davor riesige Plakate mit Bildern von Trump und folgender Aufschrift: „A tribute to the American leader Donald Trump who supports the Egyptian people and respects their right to defend their lives, security and stability of their counrty.“ Ja genau, dieser Mensch ist weithin für seine Toleranz bekannt.

An der nächsten Ecke fand ich einen kleinen Obstmarkt, wo ich für ein halbes Kilo Erdbeeren ca. 20 Cent bezahlt habe, schmeckt gleich doppelt so gut. Zurück im Hostel lernte ich den Manager, George, und einen anderen Gast, ebenfalls George (aber anders ausgesprochen, weil er ist Franzose), kennen. Ich war ganz schön kaputt vom Herumlaufen in der Hitze und wollte mich kurz ausruhen, aber auch das ist schwierig bei den Temperaturen. George fragte, warum ich nicht die Klimaanlage in meinem Zimmer angemacht hatte. Die geht doch nicht, oder? Zumindest war nichts passiert, als ich vorher den Schalter angemacht hatte. Doch, doch, die geht, warum hast du die denn nicht angekriegt?!?!  Hm, habe ich mich so blöd angestellt… Ja irgendwie schon, man muss den Schalter anmachen und dann mit einem Stift in einem kaum sichtbaren Loch (wo wohl irgendwann mal ein Knopf gewesen war…) herumstochern. Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin… Zum Abendessen hatte der französische George eine halbe Wassermelone (6kg) für alle organisiert. Wir haben es zu sechst gerade so geschafft sie aufzuessen. Dann erklärte mir George die abendliche Prozedur: unten an der Straße sitzen und Shisha rauchen.  Kaum haben wir das Gebäude verlassen, wird mir sofort die Bedeutung des abendlichen Fastenbrechens klar. Alle Menschen sind draußen, überall gibt es Essen und alle rauchen, meist Shisha. Alkohol gibt es natürlich nicht. Fand ich aber ganz angenehm, wenn ich es mit dem ganzen Gekotze auf den Straßen an den Wochenendnächten in Schottland vergleiche.

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George gegen George

George kennt jeder hier in der Gegend und es wird sofort der beste Tisch für uns hergerichtet, es gibt Shishas, Tee und Wasser. Die beiden Georges fangen an, Backgammon zu spielen, eine Argentinierin ist auch noch da und ein in Kanada lebender Libyer, beide auch Gäste im Hotel. Alles ist jetzt bunt und laut und die Temperaturen sind auf angenehmere Werte gesunken. Die Einheimischen erledigen jetzt, wo alles geöffnet ist, auch ihre Geschäfte. Auch die Kinder sind die ganze Nacht mit unterwegs. Die Straßen, schon tagsüber ein Chaos vom Feinsten, sind jetzt einfach im Ausnahmezustand. George erzählt mir dazu folgende Geschichte von einem anderen Gast im Taxi auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel: “ The guest is sitting in the back and wondering if he will make it to the hotel alive and if the driver even has a license. Probably not. Anyways, the driver goes over a red traffic light and the guest asks why he is not stopping and waiting until it’s green. The driver responds: „Don’t worry, I’m a professional.“ The same things happens again at the next traffic light. The man tells him he is not in a hurry and they can just wait at the red light, but the driver crosses the intersection assuring him he is a professional and knows what he is doing. Finally they get to a traffic light that is green. And the driver stops. Totally confused he is asking the driver why he stops at a green light. The driver says: „What if another professional comes from the left or right side???““

Nach dieser Story halte ich die Ägypter endgültig für verrückt. Ich frage George, ob das heißt, dass sie einfach die Bedeutung von Rot und Grün vertauschen und einen auf verkehrte Welt machen. Nein, nein, Rot bedeuted Rot und Grün bedeutet Grün. Ok, also werden die Ampeln ignoriert? Nein, wir nehmen sie schon wahr. Aber es ist mehr wie eine Dekoration der Straßen, wie Weihnachtsdekorationen, rot und grün. Eine weitere Sache, die mich echt erschrocken hat und wahrscheinlich die meisten Unfälle nachts verursacht, ist, dass die Hälfte der Autofahrer ohne Licht nachts fahren. Georges Kommentar dazu: Sie sparen Energie, damit sie mehr hupen können, macht doch Sinn. Es kommt übrigens auch andauernd vor, dass Leute rückwärts auf der Straße fahren. Also nicht, um einzuparken oder so, sondern weil sie 50 Meter vorher verpasst haben, abzubiegen. Wenn man genug hupt, kommt man auch rückwärts halbwegs unsicher klar. Und die öffentlichen Busse fahren grundsätzlich mit offenen Türen, wenn man mitfahren will, muss man Glück haben und einen langsam fahrenden Bus erwischen, damit man aufspringen kann. Wenn der Verkehr gerade zur Abwechslung mal flüssig ist, hat man Pech gehabt.

Als ich am ersten Tag in einem von den „Spätis“ einkaufen war, fielen mir ein paar Fässer mit eingelegten Oliven, Peperoni und noch etwas auf. Als ich den Verkäufer fragte, was es war, sagte er: lemons, try! Aus Neugierde würde ich ja echt fast alles probieren und ich esse auch gerne Zitronen, aber ich weiß nicht, ob die Ägypter die einfach so essen, oder zu irgendetwas dazu?!?! Jedenfalls habe ich die Hälfte abgebissen und es war so unendlich sauer und bitter und scharf (alles gleichzeitig), dass ich mit dem Kauen echt Mühe hatte. Der Verkäufer hat mich aber so erwartungsvoll und begeistert dabei angestarrt, dass ich mich aus Höflichkeit gezwungen gefühlt habe, weiterzuessen und so zu tun, als ob es super gut schmeckt. Als ich die erste Hälfte endlich heruntergeschluckt hatte und dachte, ich sei nun erlöst, nickte er ganz eifrig lächelnd zu der zweiten Hälfte in meiner Hand. Oh nein. Mir wurde langsam schlecht. Aber ich wollte ihn nicht enttäuschen, immerhin ist es eine ägyptische Spezialität. Nach dem qualvollen Zerkauen und Schlucken der zweiten Hälfte schien er aus meinem Gesichtsausdruck immer noch nicht verstanden zu haben, dass ich kein Fan war. Und ich bin mir sicher, dass man es mir sehr deutlich angesehen hat. Er hatte schon die Kelle bereit, um mir gleich eine ganze Schale abzufüllen, aber ich meinte nur: Nein, danke, nur Oliven und Peperoni heute. Wollte ich zwar eigentlich auch nicht, aber er war so begeistert bei der Sache und die paar Cent konnte ich noch entbehren.

Am nächsten Tag hatte ich eine Tour zu den Pyramiden gebucht. Gizeh ist zwar nicht weit weg, eigentlich nur auf der anderen Seite des Nils, die Städte sind praktisch zusammengewachsen, und man kann auch mit Bussen gut zu den Pyramiden kommen, aber wegen der Explosionen eine Woche zuvor wird jedem Tourist empfohlen, mit einem privat organisierten Auto und Führer zu gehen. Dafür bezahlt man ca. 30€, völlig in Ordnung, selbst für mein Studentenbudget. Die junge Frau, die mich abholte, heißt Randa und als ich ihr sagte, dass ich Deutsche sei, freute sie sich und fing sofort an fließend Deutsch mit mir zu sprechen. Unten an der Straße wartete unser Fahrer auf uns. Irgendwie schon ein komisches Gefühl alleine durch die Gegend kutschiert zu werden. Als erstes ging es in das ca. 30 Minuten entfernte Sakkara, wo sich die berühmte Stufenpyramide von Djoser befindet, die älteste Pyramide in Ägypten, gebaut ca. 2700 Jahre vor Christus. Seit 10 Jahren wird die Pyramide restauriert, immer wieder mit großen Pausen, da es an Geld fehlt. Dem Land geht es schlecht seit der Tourismus so stark zurückgegangen ist. In Sakkara gibt es noch weitere Pyramiden, in eine kleinere durfte ich auch rein, durch einen niedrigen Gang abwärts, innen sind die Wände aus Alabaster und jeder Zentimeter ist mit Hieroglyphen beschriftet. In der Mitte befindet sich ein großes steinernes leeres Grab, das vom Pharao Djoser, geplant und errichtet vom Hohepriester Imhotep. Ja IMHOTEP! Der aus dem Film.

Auf dem Rückweg sind wir an einer Papyrusfabrik vorbeigekommen und ich habe gelernt, wie man Papyrus herstellt. Ein völlig überteuertes Papyrusbild von Tutanchamun wollte ich trotzdem nicht kaufen. Wir kamen schließlich nach Gizeh und sahen gleich am Stadtrand die Pyramiden, insgesamt gibt es dort 9, die drei größten sind die bekanntesten: Cheops, Chephren und Mykerinos. Die Namen wurden übrigens von den Griechen umgeändert, weil ihnen die altägyptischen zu kompliziert waren. Der Bau von diesem gigantischen Meisterwerk, bei dem Steine von bis zu 15 Tonnen verbaut wurden (insgesamt 2,5 Mio Steine), hat nur 20 Jahre gedauert! Das kann ich mir immer noch nicht vorstellen. Die ursprüngliche Höhe betrug 147 Meter, 10 Meter der Spitze fehlen allerdings. Außerdem war die Pyramide früher von außen mit poliertem Kalkstein verkleidet, der wurde allerdings herausgebrochen und für den Bau von Gebäuden in Kairo verwendet, sodass die Pyramide nun stufenförmig ist. Die spinnen, die Ägypter. Ich bin mit Randa zwischen den Pyramiden umherglaufen, es waren nur sehr wenige andere Touristen da, was sehr angenehm war. Sie hat mir so viele interessante Geschichten erzählt, an alles kann ich mich leider nicht erinnern. Was mir jedoch gut in Erinnerung geblieben ist, ist unser Gespräch über das Bevölkerungswachstum in Ägypten. Ich hatte mich sehr gewundert, weil die Pyramiden so extrem nah an der Stadt dran sind, auf Bildern, die ich gesehen hatte, sah es so aus, als ob sie mitten in der Wüste stehen würden. Randa meinte, das war vor einigen Jahrzehnten auch noch so. Da die Bevölkerung aber stetig wächst (momentan ca. 20 Mio Einwohner in Kairo), wird der Stadtrand aber immer mehr erweitert. Das Bevölkerungswachstum hat sowohl etwas mit der Kultur, als auch mit dem Gesundheitssystem zu tun. Es gibt keine Rente und keine Krankenversicherung, das heißt, alte Menschen, die nicht mehr arbeiten, sind auf ihre Kinder angewiesen, sowohl aus finanzieller, als auch aus gesundheitlicher Sicht. Deswegen bekommen die meisten Leute viele Kinder. Randa ist eine der wenigen Ausnahmen, sie ist ca. Mitte dreißig, nicht verheiratet und keine Kinder. Für ihre Mutter ist es eine unerträgliche Schande. Sie versteht nicht, dass eine junge Frau mit gutem Job auch für sich selbst sorgen kann und dass sie nicht heiraten möchte, nur um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.

Was ich übrigens sehr schade finde, ist, dass es unzählige alte, verlassene Gebäude in Kairo gibt, das heißt, man bräuchte die Stadtgrenzen eventuell gar nicht ständig zu erweitern, man könnte auch in die Restaurierung der bereits bestehenden Gebäude investieren, aber das ist unter Umständen teurer, als einfach neue Häuser zu bauen. Ich weiß es nicht…

Nach der Pyramide gingen wir zur Wächterin der Pyramiden, der Sphinx. Sie ist so nah an den Ausläufern der Stadt egelegen, Randa sagt, sie starrt direkt auf einen „Hallo Pizza“-Laden, was für eine Schande. Ich hatte mir die Sphinx größer vorgestellt, aber natürlich ist sie trotzdem beeindruckend. Die Vorderpfoten wurden gerade neu restauriert, am Hinterteil laufen die Arbeiten momentan. Die Nase fehlt natürlich, Randa sagt, es war Obelix. Im Zusammenhang mit der Sphinx haben wir auch über das Frauenbild der alten Ägypter gesprochen. Früher waren Frauen gleichberechtigt, wurden sogar teilweise verehrt, wenn man es mit der Lage heutzutage vergleicht, haben sich die Ägypter deutlich zurückentwickelt. Gerade im islamischen Glauben. Muslimische Frauen haben deutlich weniger Rechte als Männer. Ich habe abends, wenn ich mit den Jungs vom Hotel aus war, selten überhaupt Frauen gesehen, auch tagsüber auf den Straßen, in Läden, überall: eine männerdominierte Welt. Die Frauen sind zu Hause und kümmern sich um Haushalt und Kinder. Randa erzählte mir sogar, dass es letztens eine Diskussion gab, wie muslimische Frauen bestraft werden sollten, wenn ihnen während des Ramadans beim Duschen etwas Wasser in der Mund kommt. Das ist doch krank. Eines der muslimischen Mädchen, die im Hotel arbeiten, kam einmal zum Bettenmachen ins Zimmer und wir haben uns etwas unterhalten. Während des Gesprächs wurde ihr mehrmals schwarz vor Augen und sie musste sich hinsetzen. Außerdem war sie extrem zittrig und schien einfach erschöpft. Als ich sie fragte, ob es ihr nicht gut ginge, sagte sie, dass es so immer tagsüber während des Ramadans sei, sie hat zwei Jobs und muss nachts schlafen, kann deshalb nicht ausreichend essen und tagsüber geht’s ihr dann beschissen. Ich habe angeboten ihr zu helfen, habe sie gefragt, ob sie nicht wenigstens einen Schluck Wasser trinken möchte, aber sie hat alles abgelehnt. Ich kann es sicher nicht nachvollziehen, weil ich nicht religiös bin und ich finde, jeder sollte glauben oder nicht glauben, was er möchte, aber das geht mir teilweise echt zu weit, wenn die Gesundheit in solchem Ausmaß aufs Spiel gesetzt wird.

Abends saß ich wieder mit George und seinen Freunden an der Straße zu Tee und Shisha. Die beiden Besucher (beide gebürtige Iraker, aber in Schweden lebend), verschwanden irgendwann, weil sie sich ägyptische SIM-Karten kaufen wollten. Als sie nach einer halben Stunde nicht zurück waren, ging George los, um sie zu suchen. Wir mussten fast 2 Stunden warten, bis sie zurückkamen. Es dauert einfach ewig eine SIM-Karte zu bekommen, weil man 100 Verträge und Formulare ausfüllen muss. Besonders schwer machen sie es arabisch aussehenden Ausländern, meinte George. Das liegt daran, dass bei Attentaten usw. häufig Sprengsätze mit Handys gezündet werden, deshalb muss jeder, der eine SIM-Karte möchte, sich datentechnisch nackt ausziehen. Die wollten z.B. von allen Verwandten (bis zu Onkel und Tanten von den Großeltern) Namen und Wohnort.

Als sie es endlich geschafft hatten, fuhren wir zu einem der größten Märkte Kairos, zum Khan el Khalili Bazar. Es war so viel los, man konnte sich kaum bewegen. Wir setzten uns in den ältesten Coffee Shop, den es dort gibt, El Fishawy. Es gab, mal wieder, Shisha und Tee. Anders geht es hier einfach nicht. Alle zwei Sekunden kommen Händler und bieten einem alles mögliche an, unter anderem wurden dem einen Typ einfach seine Schuhe ausgezogen und zum Putzen weggenommen. Der (etwas fragwürdige) Schuhputzer tauchte danach über eine Stunde nicht wieder auf und Georges Freund saß sockig da, während wir uns halb tot gelacht haben, weil wir uns sicher waren, dass er die Schuhe nicht wieder sehen würde. Ein paar echte Adidas-Turnschuhe sind wahrscheinlich mehr wert, als ein Schuhputzer in einem Monat verdient (es gibt übrigens auch keinen Mindestlohn in Ägypten). Irgendwann ging einer der Angestellten des Coffee Shops los und kam dann auch tatsächlich mit den (geputzten) Schuhen zurück. Kurz darauf setzte sich ein zahnloser Opi mit Gitarre zu uns und trällerte ein paar Liedchen, Privatkonzert am Tisch. Um kurz nach 2 wurde der Markt langsam immer leerer. Die letzte Mahlzeit der Nacht („Abendessen“) findet um ca. 3:30 Uhr statt, deshalb gingen alle nach Hause. Wir suchten nach einem Taxi und fanden einen Minivan, der uns ununterbrochen hupend und ohne Licht durch das nächtliche Verkehrschaos nach Hause brachte. Zweimal erinnerte ihn George ganz beiläufig daran, bei der roten Ampel zu halten. Ich fragte, warum er dies tat, ist der Fahrer etwa kein „professional“, vertraut er ihm nicht? „Doch, doch!“, sagte George, er sei der beste Taxifahrer, dem er bisher begegnet sei, aber er hatte ihm gesagt, dass ich Deutsche bin und dass Deutsche es nicht mögen, wenn man über Rot fährt. Insgesamt ein super lustiger Abend.

Die restlichen Tage in Kairo verbrachte ich damit, mir eine der größten Moscheen (Muhammad Ali Mosque) anzusehen und einfach durch die Straßen zu wandern, Leute zu beobachten und das Chaos zu genießen. Und allzu schnell war meine Zeit in Kairo dann auch schon wieder vorbei. Ich hatte eine Busverbindung von einem privaten Busunternehmen (hergekommen war ich mit der Busgesellschaft, die staatlich betrieben wird) gefunden, mit der ich ohne Umsteigen direkt nach Dahab kommen würde. Die privaten Busunternehmen wurden mir mehrfach empfohlen und seien deutlich besser, auch die Busse in einem besseren Zustand. Allerdings würden sie schwerer durch Militärkontrollen kommen. Das hat sich auch sogleich bewahrheitet. Ich war gerade im Bus eingeschlafen, da waren wir vorm Suez-Kanal und mussten (wie auf der Hinfahrt) aussteigen, alle unsere Gepäckstücke ausladen und öffnen. Durch den Tunnel durch und kurz danach standen wir schon wieder still. Ich war etwas eingedöst, aber als ich wach wurde, war es draußen schon hell und wir standen immer noch auf der gleichen Stelle. Seit 3 Stunden. Es war der Grenzübergang zum Süd-Sinai, auf dem Hinweg waren wir hier gar nicht angehalten worden und auch jetzt wurden manche anderen einfach durchgewunken. Ein bisschen Connections zur Regierung oder ein paar Scheinchen in der Hand erleichtern einem hier einiges. Als wir endlich durch waren, sah ich die komplette Straßensperre zum ersten Mal: mehrere hundert Meter Soldaten und Polizisten, alle bewaffnet, manche in Panzern, manche hinter Mauern kleiner Beobachtungsposten. Und auch danach wurden wir alle halbe Stunde an irgendeiner Straßensperrre angehalten, entweder Pass- oder Gepäckkontrolle, manchmal auch ohne erkennbaren Grund. Jedenfalls schien alles in Ordnung zu sein und wir kamen jedes Mal durch. Und nach flotten 11 Stunden Fahrt und Rumgestehe kam ich endlich in Dahab an…

Eine Reise

Nach einer weiteren mückenstichreichen Nacht im Hostel nähert sich mein Aufenthalt in Israel dem Ende. Wurde jetzt auch Zeit, denn eine meiner neuen Zimmergenossinen (ebenfalls Deutsche) hat uns alle in den Wahnsinn getrieben, weil sie die ganze Nacht auf war, mit Licht an telefoniert hat und ins Zimmer rein- und rausgerannt ist. Das Schlimmste war, dass ich als einzige andere Deutsche auch noch verstanden habe, worüber sie sich am Telefon beschwert hat, nämlich über die ganzen Ausländer hier (im Ausland!!!), die weder ihr Deutsch noch ihr Englisch verstehen. Höchste Zeit, die Flucht zu ergreifen.

Um 6 Uhr nahm ich den Bus vorm Hostel in Richtung Busbahnhof. Den gleichen Bus hatte ich am Tag davor schon genommen. Ich hatte versucht, mir mit Bargeld ein Ticket beim Fahrer zu kaufen, doch der meinte, ich bräuchte irgendeine Karte, sonst ginge das nicht… Er hat mich dann trotzdem (umsonst) mitgenommen, mir ganz freundlich gesagt, wo ich aussteigen muss und mir einen schönen Tag gewünscht. Am nächsten Tag wusste ich immer noch nicht, wie das mit der Fahrkarte funktioniert und habe mich wieder mit etwas Bargeld an die Haltestelle gestellt. Lustigerweise saß genau der gleiche Fahrer im Bus, hat schon gegrinst als er mich sah und als ich wieder mit dem Bargeld anfing, hat er mich lachend reingewinkt und wieder umsonst mitfahren lassen. Einfach toll. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass einem so etwas in Deutschland nie passieren würde und ich mich deshalb bei solchen Gelegenheiten umso mehr über nette Menschen freue.

Am Busbahnhof stand der Fernbus Richtung Eilat schon bereit, diesmal musste ich mir ein Ticket kaufen. Der Bus wurde ziemlich schnell ziemlich voll und bald wurde klar, dass der Fahrer zu viele Tickets verkauft hatte und nicht alle einen Sitzplatz hatten. Alle, die (so wie ich) nicht im Voraus gebucht hatten und daher keine Sitzplatznummer hatten, hatten Pech. Ich habe trotzdem einen nicht allzu schlechten Platz auf einer kleinen Stufe inmitten einer philippinischen Großfamilie gefunden. Sie haben mich direkt in ihre Gemeinschaft aufgenommen und mir Essen und Trinken angeboten. War auch alles sehr lustig, bis das eine Kind anfing zu kotzen. Ging ihm aber 5 Minuten später wieder besser, zumindest nach dem ausgiebigen Schokoladenkonsum zu urteilen. Immer wieder brach weiter vorne im Bus Streit mit dem Fahrer wegen der vielen stehenden und auf dem Boden sitzenden Passagiere aus. Am 2. Rastplatz rief dann sogar tatsächlich jemand die Polizei dazu. Zum Glück löste sich das ganze Problem, weil kurz darauf ein anderer Bus neben uns anhielt, der fast leer war und die gleiche Strecke fuhr. Nun hatte jeder sogar zwei Sitzplätze, ich konnte endlich etwas schlafen und es wurde auch nicht mehr gestritten. Nur meine philippinische Familie habe ich etwas vermisst.

Der Weg nach Eilat besteht größtenteils aus einer Straße mitten durch die Wüste. Erinnerte mich sehr an die Szenen aus „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, als er auf dem Pferd neben dem Panzer herreitet. Wurde ja auch gar nicht weit entfernt in Jordanien gedreht…

In Eilat stieg ich bei 40°C auf dem kleinen Busbahnhof aus, eine Viertelstunde später kam der Bus nach Taba, wo sich der Grenzübergang befindet. Der Bus fuhr zunächst eine halbe Stunde lang zu jeder Hotelanlage in Eilat, welches mich auf unangeneheme Weise an Las Vegas erinnert. Irgendwie scheint alles so fake zu sein, nur für den Tourismus erschaffen und wie man dort wohnen möchte, kann ich nicht verstehen. Aber wenigstens war endlich das Rote Meer in Sicht! Am Grenzübergang, inzwischen über 40 Grad, muss ich daran denken, was Ofek zu mir gesagt hatte, als wir darüber sprachen, wie leicht oder schwer man über Israels Grenzen kommt. „Tja, wir haben Grenzen zu den palästinensischen Gebieten, zu Jordanien, zum Libanon, Syrien und eben der Sinai-Halbinsel, welche zu Ägypten gehört. Eingesperrt zwischen lauter Krisengebieten, naja, wir gehören ja selbst auch nicht zum sichersten und friedlichsten Land schätze ich mal…“. Aufgrund dessen und auch aufgrund der Berichte im Internet und Hinweisen des auswärtigen Amtes (es wird an vielen Stellen davon abgeraten zu Fuß die Grenze zu überqueren und lieber zu fliegen) hatte ich mich schon auf eine komplizierte Angelegenheit eingestellt. Ich war jedoch bei Weitem nicht die einzige, die zu Fuß über die Grenze in Taba wollte. Die Schlange war ca. 100 Meter lang, als ich ankam. Schön mit 2 Rucksäcken und bei der Hitze draußen ewig rumstehen. Es ging dann aber zum Glück relativ zügig voran. Die Übertretung der Grenze könnte kaum umständlicher und langwieriger sein. Erst werden von israelischer Seite aus mehrmals Polizei- und Gepäckkontrollen durchgeführt, man muss eine Ausreisegebühr bezahlen und erhält eine Ausreiseerlaubnis. Danke dafür. Dann kommt der gleiche Quatsch noch einmal, aber diesmal durchgeführt von ägyptischen Beamten. Pass, Gepäck, noch einmal Pass, Ausreiseerlaubnis von Israel, Visum, Zollerklärung usw. Insgesamt war ich sicher 2 Stunden damit beschäftigt, über diese Grenze zu kommen. Aber dann konnte ich endlich weiter mit meinem schweren Gepäck durch die Hitze laufen und einen Bus suchen. Es kam sogleich ein typisches Afrika-Feeling auf, als ca. 10 Taxifahrer mich unbedingt irgendwo für viel zu viel Geld hinfahren wollten und etliche Minibusse auch schon parat standen und deren Fahrer ganz aufgeregt gehupt und gewunken haben. Im Endeffekt habe ich einen der Grenzbeamten gefragt, wie ich zum Bus nach Sharm El-Sheikh komme (von wo aus man weiter nach Kairo kommt). 1 km weiterlaufen. Ok, leichter gesagt, als getan. Der Schweiß lief. Unterwegs habe ich schnell in einem Hotelresort ägyptische Pfund abgehoben (der Kurs ist für uns seit Jahren, ich glaube seit irgendeiner der politischen Krisen, sehr gut für uns, 18 Pfund für 1 Euro, davor war es die Hälfte). Irgendwann kam ich zu dem fast völlig verlassenen Busbahnhof, ich hatte noch eine Stunde bis der Bus kam und zahlte umgerechneet 4€ für die Fahrt, der Unterschied zu Israel fiel mir gleich sehr positiv auf. Kurze Verwirrung, weil ich mit dem Grenzübertritt auch die Zeitzone gewechselt hatte und kurz Panik hatte, den Bus schon verpasst zu haben. Während ich wartete, unterhielt ich mich mit einem sehr netten Sicherheitsbeamten. Eine Sache, die mir gleich auffiel, war, dass außer mir niemand etwas aß oder trank. Ich hatte auch angeboten etwas Wasser oder eine Cola zu holen, aber nein, lieber bei dieser Hitze dehydrieren. Der Sicherheitsbeamte klärte mich kurz darauf freundlicherweise auf, momentan ist Ramadan. Also bis ca. 18-19 Uhr keine Getränke und kein Essen. Was für eine Quälerei. Irgendwann stiegen auf einmal ein paar Leute etwas weiter in einen Bus, auf dem „Cairo“ stand. Ich hatte gehört, dass es keine Direktverbindung von Taba nach Kairo gibt, aber das wäre natürlich praktischer als einen großen Umweg zu fahren und umsteigen zu müssen… Nein, der Bus ist nur für Ägypter, nicht für Ausländer, weil es nicht sicher ist durch den mittleren und nördlichen Teil des Sinais zu fahren… Ok, dann den längeren Weg.

Außer mir saßen im Bus noch 5 anderen Leute. Also genug Platz für ein Nickerchen. Erst ging es eine Weile am Roten Meer entlang, dann durch eine sehr karge Steinwüste. Der Bus war relativ alt und klapprig und fuhr extrem langsam. Hinzu kamen noch viele Straßensperren mit Kontrollen. Um 19:00 kamen wir endlich in völliger Dunkelheit in Sharm El-Sheikh an. Im Busbahnhof gegenüber kaufte ich ein Ticket für den nächsten Bus nach Kairo um Mitternacht. Also einiges an Zeit totzuschlagen bis dahin. Der Busbahnhof ist ein echt komischer Ort. Sehr groß und überwiegend leer, ein paar Stände und ein kleines Café. Dort gab es wenigstens Strom und WLAN. Insgesamt habe ich mich dort nicht unwohl gefühlt, aber irgendwie ständig beobachtet. Ich war die einzige Frau und die einzige mit heller Haut und hellen Haaren, also irgendwie auffällig. Es hat mich aber niemand belästigt oder blöd angequatscht. Der Inhaber des kleinen Cafés hat mich mit Tee und Wasser versorgt. Insgesamt habe ich für drei Tassen Tee und zwei Flaschen Wasser umgerechnet 1€ gezahlt. Angenehm.

Um Mitternacht kam der schon volle und furchtbar stinkende Bus an, diesmal hatte ich zum Glück einen Sitzplatz, viele standen wieder im Gang herum. Schlafen ging nicht und gesehen hat man draußen auch nichts. Um kurz vor 5, als es hell wurde, hielten wir an, alle aussteigen, wieder unzählige bewaffnete Soldaten, die uns und unsere Gepäckstücke kontrollierten. Wir waren direkt vorm Suez-Kanal und kurz davor die Sinai-Halbinsel zu verlassen. War alles ok und es ging zügig weiter. Leider durch einen Tunnel, also nichts zu sehen vom Kanal. Um halb sieben Ankunft in Kairo, keine Ahnung wo, aber einer meiner Mitreisenden aus dem Bus organisierte mir sofort ein Taxi und vereinbarte mit dem Fahrer einen fairen Preis. Ich glaube es waren 2€ für eine Fahrt durch die halbe Stadt zu meiner Unterkunft. Unterwegs durch die Stadt saß ich relativ unruhig hinten und klammerte mich am Sitz fest. Es gibt sehr breite Straßen, aber keine Spuren, alle fahren kreuz und quer, anstatt zu blinken, wird gehupt, alle fahren nur Zentimeter aneinander vorbei, Ampeln gibt es, aber sie scheinen irrelevant, das stört nur den Verkehrsfluss. Daran musste ich mich erst wieder gewöhnen, Chaos pur. Am Ende bin ich gut angekommen, das Hostel ist eigentlich ein Hotel, in dem man aber auch günstig in Gemeinschaftszimmern schlafen kann, 5€ pro Nacht. Das Hotel befindet sich in einem 150 Jahre alten Gebäude im 6. Stock, zwischen den Treppen gibt es einen Fahrstuhl, aber der sah fast so alt aus, wie das Gebäude selbst und war irgendwie so halb offen… Nichts für mich. Oben an der Rezeption sagte mir der Mitarbeiter, dass man eigentlich erst nachmittags einchecken kann. Ich wusste das, war aber so müde und kaputt, dass ich mich direkt hinlegen wollte, ich habe auch angeboten, einen Tag extra zu bezahlen. Nein!!! Das ist doch gar kein Problem, das Zimmer ist sowiso leer und alle Betten gemacht, such dir einfach eins aus und schlaf erstmal. Auch diese Freundlichkeit kam wieder überraschend und wurde von mir sehr dankbar angenommen. Erster Tag in Ägypten: anstrengend, aber erfolgreich gemeistert.

Israel

Es ist ziemlich genau 2 Jahre her, seit ich aus Südafrika zurückgekommen bin. Jetzt bin ich wieder unterwegs und möchte meine Erinnerungen weiter hier festhalten, wie ein Reisetagebuch, aber auch für Außenstehende sichtbar, zumindest für die, die es interessiert.

In den letzten zwei Jahren hat sich viel verändert, ich habe mein Medizinstudium abgeschlossen (12/2017) und ein halbes Jahr in der Geriatrie in Buch als Assistenzärztin gearbeitet, mich aber vorher schon entschlossen, doch noch einen anderen Weg einzuschlagen und Meeresbiologie zu studieren. Deshalb bin ich vor einem Dreivierteljahr nach Schottland gezogen, habe inzwischen die ersten zwei Semester hinter mich gebracht und fühle mich in Edinburgh wohler, als ich mir je hätte wünschen können. Nun sind Semesterferien und ich wollte etwas „meeresbiologisches“ machen. Daher habe ich mich für ein Praktikum in Dahab (Ägypten) angemeldet, dabei geht es um den Schutz von Korallenriffen. Und naja, wenn man schon einmal in der Gegend ist, dachte ich mir, nehme ich das zum Anlass, mir auch Israel anzusehen, da ich schon ewig hierher wollte.

Lange Rede, kurzer Sinn, jetzt sitze ich im Golden Sea Hostel in Tel Aviv, hier bin ich vor 5 Tagen angekommen und ich bin einfach begeistert von Israel. Ich hatte meine letzte Prüfung (Chemie) letzten Donnerstag, habe dann etwas chaotisch gepackt, meine Wohnungsschlüssel an meine Untermieter weitergegeben und mich mit ein paar Drinks von meinen Freunden und Kollegen in Edinburgh verabschiedet. Danach gings ohne zu schlafen direkt zum Flughafen, kurzer Flug nach Brüssel und dann den ganzen Tag dort Aufenthalt. Langsam spürt man es doch, wenn man eine Nacht durchmacht, irgendwie war das mit 20 noch anders. Abends dann der Flug nach Tel Aviv und blöderweise kam ich zum ungünstigsten Zeitpunkt überhaupt an. Erstens war Sabbat (samstags passiert hier gar nichts, noch weniger als sonntags in Deutschland), das heißt, es fuhr noch nicht mal ein Bus vom Flughafen. Zweitens war es die Nacht vor dem Finale des Eurovision Song Contests, also Unmengen an Touris, die Preise noch höher als sowieso schon. Wie auch immer, meine Taxifahrt vom Flughafen war viel zu teuer und dazu kam auch noch Victor, der superreligiöse Taxifahrer mittleren Alters, vor 25 Jahren aus Russland hierher gekommen, für ihn gibt’s nichts schlimmeres als Atheisten und die ganzen Schwarzen auf der Straße, die andauernd nachts betrunken vor sein Auto laufen, würde er am liebsten erschießen. Ich war echt zu müde, um zu argumentieren, aber ich wäre ihm am Ende der Fahrt fast an die Gurgel gegangen. Er ließ mich vor dem Hostel raus und bevor er versuchte mich weiter vollzuquatschen und mir noch mehr Geld abziehen wollte, wurde ich direkt von einem sympathischen Österreicher gerettet. Er hat mich nach 3 Sekunden als Deutsche enttarnt und bestand darauf, mit mir ein Bier am Strand zu trinken. Um 5 Uhr morgens. Ohne Frühstück oder Abendbrot oder keine Ahnung welche Mahlzeit dran war. Naja, aber während ich noch am Rumjammern war, dass ich zu müde war, hatte er schon 4 Bier gekauft und der Strand ist nur 30 Meter entfernt. Ok, überredet. Es war total leer, ruhig, die Sonne ging gerade auf und ich saß dort mit Dinko und trank ein israelisches Frühstücksbier. Wir haben ca. zwei Stunden geredet und hatten echt Spaß. Dinko sieht aus wie ein Teddybär, arbeitet als Journalist und war für den ESC in Tel Aviv. Am Ende hat er mich eingeladen, ihn und seinen Lebensgefährten in Wien zu besuchen.

Den restlichen Tag habe ich mit einem ausgiebigen Spaziergang durch die Stadt und Mittagsschläfchen am Strand verbracht. Ich habe noch nie irgendwo so viele Polizisten gesehen, in den Nachrichten haben sie gesagt, es seien 20.000 zum ESC in der Stadt. Alle maximal bewaffnet, aber soweit ich weiß, gab es keine besonderen Vorkommnisse. Im Hostel gab es dann abends einiges an Chaos, weil es überbucht war, ich bin einfach schnell zum nächsten Humusladen geflüchtet und habe mir ein delikates Abendessen gegönnt.

 

Hier noch zwei Sachen, die mir direkt aufgefallen sind: 1. Ich habe noch nie so viele extrem schöne Menschen gesehen, Männer und Frauen. Die meisten mit dicken dunklen Haaren und blauen Augen, einfach schön. 2. Ich verstehe diesen Hype mit den E-Scootern nicht. Ich weiß, dass es gerade eine große Diskussion in Deutschland deswegen gibt. Hier sind die Straßen schon voll damit. Überall fahren diese Scheiß-Dinger rum, auf der Straße zwischen den Autos, auf den Fahrradwegen, auf den Gehwegen und alle zwei Minuten wird man fast von einem angefahren. Was ist denn aus Fortbewegungsmitteln wie dem Fahrrad geworden? Da ist man genauso schnell und tut auch noch etwas Gutes für seinen Körper. Außerdem halten die E-Scooter-Fahrer sich hier an gar keine Regeln und Gesetze, geschweige denn Ampelzeichen. Ich sage nicht, dass ich es nicht mal ausprobieren würde, aber prinzipiell wünschte ich mir, die Dinger würden wieder verschwinden.

Ok, nun zurück zum Thema…

Die nächsten Tage bin ich jeden Morgen zur ägyptischen Botschaft gelaufen, da ich noch ein Visum brauchte… Hier ein Bild von dem „Raum“, in dem die Visa beantragt und ausgestellt werden.

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Es ist so eine Art Garage/Wellblechanbau, halb offen und ausgestattet mit Parkbänken und alter Spülmaschine. Mein erster Gedanke war, dass ich niemals meinen Reisepass hier lassen werde. Aber irgendwie hatte ich keine andere Wahl. Ich habe einen Israeli dort kennengelernt, der seit zwei Wochen täglich auf der Matte steht, manchmal haben sie offen, manchmal nicht, manchmal kommt der zuständige Mitarbeiter eine Stunde zu spät und nie haben sie länger als eineinhalb Stunden offen. Sie sagen ihm jeden Tag, dass es am nächsten Tag fertig sei. Oh man, das klingt ja erfolgversprechend. Ich habe den Antrag auf der Spülmaschine mit dem einzigen in der Botschaft vorhandenen Kugelschreiber ausgefüllt (er wurde mir sofort danach auch wieder aus der Hand gerissen), ca. 16€ bezahlt und Kopien gemacht. Sie würden mich anrufen, wenn es fertig sein… Ja, aber ich brauche ihn in spätestens 4 Tagen! Normalerweise dauert es mindestens 10. Oh Gott, das kann ja was werden.

Ansonsten bin ich in Tel Aviv über einige Märkte gegangen, habe ganz viel am Strand gelesen und im kristallklaren Wasser gebadet und habe es geschafft keinen Sonnenbrand zu bekommen. Das Wasser erinnert mich an Kroatien und Zypern, aber der Strand ist weniger steinig und sauber. Ab und zu fliegen ein paar Militärhubschrauber über den Strand und die Stadt. Auf den Märkten ist es ein Mix aus orientalisch, arabisch, afrikanisch, europäisch, die Gerüche sind unglaublich vielfältig. Ich könnte stundenlang nur Stände und Menschen auf den Märkten ansehen. Die Radieschen sind hier so groß wie Äpfel und die Auberginen so groß wie Melonen. Überall gibt es kleine Bäckereien mit Baklava und anderem Süßkrams und besonders gefällt mir eine spezielle Süßigkeit, hergestellt aus der Sesampaste Tahini mit Zucker/Honig/Stevia o.ä. und in verschiedenen Varienten erhältlich: Nüsse, Schokolade, Kokos, Früchte… Es nennt sich Halva. Ich muss immer an den Wikingerhäuptling und Vater von Wickie denken, aber der hat noch ein R hinten dran… Außerdem gibt es so viele leckere Früchte, Granatäpfel sind sozusagen die Nationalfrucht von Israel und man kann an jeder Ecke frischgepressten Granatapfelsaft kaufen, finde ich die einzige sinnvolle Art diese Frucht zu sich zu nehmen, da man sich die stundenlange Pulerei spart.

 

 

 

Die nächsten Tage waren mein israelischer Leidensgenosse und ich jeden Morgen in der Botschaft, ich eigentlich nur, weil ich ihnen etwas Druck machen wollte und weil ich Angst hatte, meinen Ausweis nie wieder zu sehen. Am dritten Tag hatte ich tatsächlich mein Visum in der Hand, schneller als alle anderen, die ihre schon vorher beantragt hatten. Ein Mädchen aus Taiwan sagte mir, ihres würde drei Wochen dauern, weil sie aus Asien ist. Ich habe das Gefühl, dass eine deutsche Staatsbürgerschaft einem hin und wieder unfaire Vorteile verschafft. Naja und dazu kam noch meine Renitenz, wahrscheinlich haben sie es auch etwas schneller hingekriegt, damit sie mich loswerden und ich ihnen nicht jeden Tag auf die Nerven gehe.

Am Montag bin ich von Tel Aviv mit dem Bus nach Jerusalem gefahren, die Fahrt dauert etwa eine Stunde und vom Busbahnhof ist man in 20 min zu Fuß in der Altstadt. Was mir als Erstes auffiel: ich hatte noch nie so viele bewaffnete Soldaten gesehen. Alle paar Meter kommt einem eine kleine Patrouille entgegen. Und zwar männliche und weibliche Soldaten zu gleichem Anteil. Ich habe mich in der Stadt mit Ofek getroffen, den hatte ich in Mosambik beim Tauchen kennengelernt. Er hat mir erzählt, dass jeder in Israel nach der Schule zur Armee muss. Männer mindestens 3 Jahre, Frauen mindestens 2. Er hat damals sogar 4,5 gemacht, seine Schwester hat gerade ihr drittes Jahr beendet. Das ist halt anders als bei der Bundeswehr, hier wird andauernd auf den nächsten Angriff oder Krieg gewartet und sich entsprechend vorbereitet. Ofek hatte damals ganz andere Ansichten als heute, sein Vater war auch Offizier und er ist in einem sehr israelisch geprägten Umfeld aufgewachsen. Inzwischen hat er seine Meinung komplett geändert und möchte Freiheit und Gleichberechtigung für alle Menschen und Staaten. Er sagt, das viele Reisen und Kiffen haben ihn entspannter gemacht und seine Ansichten verändert. Übrigens ist Gras hier kurz vor der Legalisierung. Ich hatte mich schon gewundert, weil ich überall mehr kiffende als Zigaretten-rauchende Menschen gesehen hatte, inmitten all der Polizisten, aber das stört hier keinen.

Ofek und ich sind erst über den großen Markt in Jerusalem gelaufen und dann in die Altstadt. Als erstes waren wir an der Klagemauer, ich habe sie mir etwas spektakulärer vorgestellt muss ich sagen, ist halt eine Mauer. Ofek fragte, ob ich hingehen will und er würde solange auf mich warten… Ok, warum können wir nicht zusammen hin? Weil Männer und Frauen getrennt sind. Übrigens auch zu sehr ungleichen Anteilen, die Frauen und Mädchen standen sehr gedrängt in einem kleinen Bereich rechts, der Rest war abgesperrt und schien fast verlassen, so viel Platz wie die Männer haben. Was religiöse Aspekte angeht, ist die Gleichberechtigung noch überhaupt gar nicht vorhanden. Wenns ums Kämpfen in der Armee geht, ist es da schon anders…

Mir fielen in der Stadt auch überall die (wie Ofek sie nennt) „ultrareligiösen Juden“ auf. Mit schwarzen Mänteln in der Hitze, Hüten und ihren Löckchen hinter den Ohren. Viele nehmen es hier halt sehr ernst mit der Religion, egal welcher sie angehören, genau deshalb gibt es leider so viele Konflikte. Die Altstadt Jerusalems ist aufgeteilt in verschiedene Viertel, das jüdische, das christliche, das armenische und das muslimische. Wir sind ein bisschen durch die unterirdischen Gassen gelaufen, an hunderten von Marktständen vorbei, in verschiedene Kirchen und Synagogen rein. Es ist wie ein Labyrinth und man weiß nie, was einen als nächstes erwartet.

Ost-Jerusalem wird von den Palästinensern beansprucht, allerdings gibt es keine klare Abgrenzung. Nur in die Moscheen hinter der Klagemauer dürfen keine Juden rein. Und es gibt an den Busbahnhöfen und am Eingang zur Altstadt Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, allerdings werden diese auch nur so halbherzig durchgeführt. Es gibt auch viele undercover-Soldaten, so richtig undercover sind die allerdings auch nicht, weil man sie immer an ihren „Walkie-Talkies“ erkennt.

Ofek und ich haben zum Abendessen  jeder eine große Schale Humus gegessen. Bei ihm war es tatsächlich schon eine ganze Woche her, seit er eine große Portion Humus hatte. Dazu gibt es immer eine geviertelte Zwiebel, die einzelnen Scheiben nimmt man zum Dippen, wie Brot, damit man davon nicht zu schnell voll wird. Fand ich erst befremdlich, so eine rohe Zwiebel zum Dippen zu nehmen, aber der Humus neutralisiert sehr gut. Als Absacker habe ich ein lokales Bier probiert und Ofek hat sein Lieblingsbier getrunken: Becks. Abends im Bus zurück nach Jerusalem hat mir mein Sitznachbar was vorgesungen, ich hatte nicht darum gebeten und irgendwann so getan als würde ich schlafen.

 

Meine Füße waren nach dem ganzen Herumgelaufe in den Sandalen schon echt mitgenommen und voller Blasen (an den Fußsohlen!!!) und jeden Abend, wenn ich erschöpft zurück ins Hostel kam, wollte ich einfach nur sitzen. Allerdings habe ich jedes Mal vergessen, dass die Sitzsäcke, wenn man sich auf ihnen niederlässt, den gesammelten Pupsgeruch von 20 Jahren versprühen. Der bleibt dann ca. 2-3 Minuten in der Luft, egal wie sehr man versucht ihn zu ignorieren. Aber wenigstens tun die Füße nicht mehr weh. Es gab noch einige weitere Besonderheiten im Gold Sea Hostel. Ich war in einem 8er Zimmer, welches ein Durchgangsbad hat. Das heißt, es wird Tag und Nacht viel durchgegangen. Außerdem hat dieses Bad keine Tür, nur einen dünnen Vorhang. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen, ich war sehr dankbar für meine Ohrenstöpsel. Einen Tag und eine Nacht gab es auch keine Elektrizitär, es saßen alle abends im Dunkeln blöd rum und wussten nichts mit sich anzufangen, denn WLAN ging natürlich auch nicht, deshalb konnte man nicht am Handy rumhängen. War eine unangenehme Atmosphäre und alle sind früh ins Bett. Menschen sind schon komisch. Am nächsten Tag sah ich den Hostelbesitzer mit einer Kabeltrommel auf dem Dach rumklettern. Das hats merkwürigerweise auch nicht gebracht, aber war lustig zuzusehen.

Übrigens, nur so nebenbei, Israel ist um einiges fortschrittlicher als jedes andere Land, was Veganismus angeht. Zum einen sind die meisten Gerichte ohnehin vegan, zum anderen bekommen Veganer auch Vorteile, wenn sie folgender Gesellschaft/Organisation beitreten: Vegan-Friendly (https://www.vegan-friendly.co.il/). Man kann dort Mitglied werden, was man an Mitgliedschaft bezahlt, spendet man an eine gemeinnützige Organisation seiner Wahl und man bekommt dafür haufenweise Ermäßigungen in Restaurants, kriegt vegane Produkte zugeschickt usw. Es werden vegane Feste und Festivals organisiert und immer mehr Hotels und Restaurants kooperieren. Tolle Sache, Ofek macht da als Oberveganer Israels natürlich mit und hat mir davon erzählt. Eine sehr gute Möglichkeit mehr Leute von tierischer Nahrung abzubringen und damit natürlich etwas gegen den Klimawandel zu tun.

An meinem letzten Tag in Israel habe ich mich früh morgens wieder auf eine abenteuerliche Busfahrt begeben. Es wird sich hier zwar größtenteils an Ampeln usw. gehalten, aber die Busse fahren immer schon los, wenn man noch halb auf dem Bürgersteig steht und die Tür offen ist. Außerdem ist jede Bremsung eine Vollbremsung bei der man sich entweder seine Kniescheiben zertrümmert oder die Nase bricht. Hinten meckern alle rum und der Busfahrer ignoriert’s. Jedenfalls bin ich zum Toten Meer gefahren. Da es östlich von Jerusalem ist, hatte ich auf meinen Reisepass gewartet, allerdings war mir auf der Hinfahrt überhaupt keine Grenze aufgefallen. Wir waren dann im Westjordanland und es ist mir nur aufgefallen, weil alle Schilder nun auf hebräisch, englisch und arabisch waren. Sobald man außerhalb Jerusalems ist, ist man praktisch direkt in der Wüste, ab und zu sieht man ein paar Wellblechhütten und Esel, aber das war’s dann auch schon. Irgendwann kommen dann große Palmenplantagen (ich nehme an für Datteln? Oder Öl?) zwischen ein paar Wasserreservoirs und dann eine Bushaltestelle im Nirgendwo, von der man eine halbe Stunde in der sengenden Hitze durch die kahle Landschaft läuft und dann das Tote Meer sieht. Tot, weil es einen 10mal höheren Salzgehalt hat, als normale Meere (es ist ja auch eigentlich kein Meer…) und deshalb für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen nicht bewohnbar ist. Übrigens ist das Ufer des Toten Meeres der tiefste Punkt auf der Erde, der sich nicht unter Wasser befindet. Es liegt ca. 423 Meter unter dem Meeresspiegel. Aus dem Bus heraus sieht man am Straßenrand irgendwann eine Markierung, wenn man auf Höhe des Meeresspiegels ist und dann geht es immer weiter bergab. Ich habe dann noch etwas weiter im Internet gelesen, das Tote Meer selbst ist 377 Meter tief und damit der tiefste hypersaline See der Welt. Coole Sache.

Der öffentliche Strand im Norden heißt Kalia beach, man muss Eintritt bezahlen und es ist eher wie ein Resort zu Beginn, mit Bars, Restaurants, Shops usw. Weiter unten kommt man dann zum eigentlichen Strand, der eher aus festgetretenem Matsch besteht. Abgesehen von dem hohen Salzgehalt ist das Tote Meer ja auch für seinen Schlamm bekannt, den man in jedem Drogeriemarkt als Maske kaufen kann. Oben im Resort haben sie eine kleine Tüte für 25$ verkauft. Aber ich, als Tochter eines Schwaben, habe mir einfach direkt von der Quelle ein großes Glas abgefüllt. Damit könnte ich jetzt theoretisch reich werden.

 

Mein erster Gang zum Wasser war sehr schmerzhaft. Der Boden ist heiß, selbst wenn man auf einen kleinen Zipfel Schatten tritt. Das Wasser ist relativ erfrischend, man glitscht aufgrund des vielen Schlamms am Boden mehr oder weniger hinein ohne kontrollieren zu können, was man da macht. Kaum ist man hüfthoch drinnen, kann man noch weniger kontrollieren was passiert, weil es einem direkt die Beine hochzieht. Schon ein komisches Gefühl, man liegt da einfach rum, ohne etwas zu machen. Aber es brennt einem auf der Haut und die Konsistenz des Wassers ist irgendwie komisch. Trotzdem, das Gefühl kann man wohl nur mit Schwerelosigkeit übertreffen. Vorm zweiten Gang ins Wasser habe ich mir eine Schlammmaske gegönnt. Danach dummerweise mein Gesicht mit dem Salzwasser abgewaschen. Ich dachte eine Minute, ich sei erblindet, so brennt einem das auf den Schleimhäuten und das Auge tränt solange, bis das Salz ausgeschwemmt ist. Man muss sich unbedingt jedes Mal nach Verlassen des Wassers abduschen, sonst kristallisiert das Salz auf der Haut sobald man trocknet. Unter den Duschen läuft das ganze Wasser in den Boden und dort sammelt sich das abgewaschene Salz kiloweise an.

Am Nachmittag hat es mir dann gereicht mit Salz und Hitze und ich habe mich auf den Rückweg gemacht. Beim Verlassen vom Westjordanland haben wir dann eine richtige Grenze überquert, viele gewehre, viele Soldaten. Aus Israel raus kommt jeder, aber wieder zurück rein ist es schwerer. Naja, aber so wirklich kontrolliert haben die da jetzt auch nichts. Zurück nach Jerusalem, zurück nach Tel Aviv. Noch einmal über den Markt, noch einmal an den Strand, ich werde Israel vermissen.

 

 

 

 

 

 

Time to say goodbye

Dies ist der letzte Eintrag in meinem Blog. Im letzten ging es um meine Arbeit, hier noch einmal ums Vergnügen! Denn das ist während meiner Zeit in Kapstadt definitiv nicht zu kurz gekommen. Ich habe viel Zeit draußen verbracht. Jetzt wo ich seit einem halben Jahr wieder in Berlin bin, vermisse ich das am meisten. Den Strand, die Berge, die Sonne, die freundlichen Menschen und die Stadt an sich. Es war wirklich nie langweilig.

Ich bin Ende Februar vom Tygerberg Campus weggezogen in eine Studentenunterkunft  in Kapstadt. Da ich beschlossen hatte, meine Zeit in Kapstadt über das erste Tertial hinaus zu verlängern und weiter in Khayelitsha arbeiten wollte, war es so sinnvoller. Ich habe in einem alten Haus mit sechs Holländern und einer Schwedin gewohnt. Und eine süße Katze war auch noch da…

Ein Highlight war auf jeden Fall der Besuch meiner Eltern. Ich glaube Fotos sprechen jetzt mehr als 1000 Worte…

Wir haben auf jeden Fall eine sehr abwechslungsreiche und spannende Woche zusammen erlebt! Ansonsten habe ich sehr viel Zeit mit meinen Kollegen aus der Rettungsstelle verbracht. Sie sind mir alle wirklich ans Herz gewachsen.

 

Und in den letzten Wochen habe ich noch einmal richtig auf die Kacke gehauen. Paragliding, Tauchen, Schnorcheln, alles was ich mir noch vorgenommen hatte, habe ich auch gemacht.

Und jetzt, wo ich das alles noch einmal Revue passieren lasse, wird mir noch mehr klar, was für eine unglaublich tolle Zeit ich hatte. Nicht nur in Kapstadt, auch davor. Diese acht Monate haben mich wirklich sehr geprägt und verändert. Am Anfang dachte ich selbst, es wäre eine Schnapsidee und jetzt weiß ich, dass es die beste Schnapsidee war, die ich je hatte.

Damit beende ich diesen Blog nun, es war schön aber auch etwas komisch, dass Leute tatsächlich gelesen haben, was ich so geschrieben habe. Vor allem aber ist es für mich wie eine Art Tagebuch geworden, das ich mir hoffentlich noch sehr oft mehr oder weniger melancholisch ansehen werde um mich an die guten alten Zeiten auf meiner Afrikareise zu erinnern.

 

Kaapstad/Cape Town/iKapa

Nun wohne ich schon seit über zwei Monaten, zwar nicht direkt in Kapstadt, aber zumindest in der näheren Umgebung. Genauer gesagt in Bellville, wo sich der Campus der medizinischen Fakultät der University of Stellenbosch befindet und auf ihm das gigantische Tygerberg Hospital.

Neben dem Arbeiten im Krankenhaus (dazu gibt es einen extra Eintrag) habe ich hier schon einiges erlebt, denn zum Glück haben wir auch ausreichend Freizeit, wie sich das für Studenten so gehört.

Hier nun ein paar Eindrücke der vergangenen Monate…

Unsere erste Besteigung des Tafelbergs, anstrengend, aber es lohnt sich…

Rugby ist eine ganz große Sache hier in Südafrika, das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Es war übrigens eher wie ein riesiges Karneval-/Partyevent und nicht wie ein reines Rugbyturnier. Fast alle waren verkleidet und haben gefeiert und Spaß gehabt. Stattgefunden hat das ganze im Cape Town Stadium, das für ca. 300 Mio. € für die Fußballweltmeisterschaft 2010 gebaut wurde und seitdem leider kaum genutzt wird.

Ich habe übrigens auch direkt zu Beginn mein Lieblingscafé gefunden. Ein Schokocafé. Fast ausschließlich vegan. Ich liebe es. Und inzwischen bin ich dort schon Stammgast und werde zur Begrüßung umarmt. So muss es sein…

Auch abends haben wir natürlich schon einiges unternommen. Hauptsächlich auf der Long Street, da steppt abends und vor allem am Wochenende der Bär. Besonders toll war es, dass ich Lou und Cane und auch Agnes und Rex, die ich alle auf meiner Reise kennengelernt habe, wiedergetroffen habe.

Mit meinen Mitbewohnern aus der Lodge wird es auch nie langweilig. Wir gehen zusammen wandern, an den Strand oder verbringen lustige Abende bei uns auf dem Campus.

Ganz besonders toll war der Besuch meiner beiden Lieblingsschwestern von Weihnachten bis Mitte Januar. Wir hatten zweieinhalb tolle Wochen, natürlich stand der Tafelberg wieder auf dem Programm, ein leckeres Weihnachtsessen, Wanderungen, Wine Tastings, Strandspaziergänge usw. Auch meine Freundin Stephi war auf der Durchreise zu ihrem PJ in Windhoek für ein paar Tage da. Es war einfach eine grandiose Zeit!!!

Am zweiten Januar gibt es jedes Jahr eine große Parade in Kapstadt, die Second New Year Street Parade, auch Kaapse Klopse genannt. Ich war überrascht, wie gut das ganze organisiert war (Absperrungen, Polizei, Toiletten usw.). Die Zuschauer kampieren teilweise den ganzen Tag hinter den Absperrungen mit Zelten, Campingkochern, Stühlen und Decken. Das Fest wurde erstmals in der Mitte des 19. Jahrhunderts gefeiert, als die Sklaven in Kapstadt einen Tag im Jahr (den 2. Januar) freigekriegt haben und tanzend und singend die Straßen entlanggezogen sind.

Insgesamt kann ich bisher sagen, dass ich mich hier pudelwohl fühle. Kapstadt ist eine beeindruckende Stadt, die sehr viel zu bieten hat. Besonders toll ist, dass man das Meer, die Berge und die große Stadt so dicht beeinander hat. Die umliegende Landschaft ist wahnsinnig schön und die Menschen sind extrem freundlich.

Schockierend ist allerdings, wie sehr das Land noch von der Apartheid gekennzeichnet ist. Als Tourist bekommt man davon kaum etwas mit, aber dadurch, dass wir im Krankenhaus täglich mit der ärmsten Bevölkerungsschicht zu tun haben, erleben wir diese Unterschiede viel extremer. Die Reichen sind fast ausschließlich Weiße und wohnen in den schönsten und eingezäuntesten Gegenden, die Schwarzen in den Townships nur wenige Kilometer weiter in Wellblechhütten. Dadurch entstehen natürlich sehr viele Konflikte. Überfälle und Diebstähle geschehen tagtäglich mitten in der Stadt. Vielen meiner Freunde hier wurden schon Handys und Kreditkarten geklaut. Ich hoffe, dass ich davon weiterhin verschont bleibe… Toi toi toi

Reiserast

Dieser Beitrag ist lange überfällig. Ich habe ihn direkt bei meiner Ankunft auf dem Campus hier Mitte November verfasst, aber dann vergessen ihn fertigzustellen und zu veröffentlichen. Shame on me. Deshalb hier nun ein Einblick in mein vergangenes Selbst…

So, nun, da ich mein vorläufiges Ziel erreicht habe und morgen mein letztes Jahr der medizinischen Ausbildung beginne, ein kleines Fazit zu den letzten 9 Wochen.

Um es kurz zu fassen: Es war die beste Zeit meines Lebens!

Ich habe ca. 7500 km zurückgelegt, war in Kenia, Tansania, Mosambik, Swaziland und Südafrika. Ich habe es nicht eine Sekunde bereut, alleine unterwegs zu sein, im Gegenteil, ich habe es richtig genossen, flexibel und unabhängig zu sein, ich habe fast jede Nacht in einer anderen Unterkunft verbracht, immer so wie ich gerade Lust hatte. Ich habe festgestellt, wie einfach es ist, neue Leute kennenzulernen und kann es immer noch nicht glauben, wie vielen tollen Menschen ich begegnet bin. Gerade wenn man alleine ist, fällt es einem viel leichter, auf fremde Menschen zuzugehen und irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich noch nichts alleine unternommen hatte. Kaum zu glauben.

Natürlich erlebt man auch einige verrückte Sachen und muss vieles einfach so akzeptieren, wie es ist, auch wenn es einem unsinnig oder vielleicht einfach nur unbekannt vorkommt. Die ersten Gedanken, die mir dazu kommen, haben mit dem öffentlichen Transportsystem zu tun. Ich habe den größten Teil der Strecke in Bussen zurückgelegt. Das war auch in gewisser Hinsicht recht unkompliziert und vor allem die billigste Art zu reisen. Minibusse gab es bisher in jedem afrikanischen Land in dem ich war und meistens fahren sie, wenn die Zeit gekommen ist, überall  hin. Allerdings muss man auch wirklich aufpassen, oftmals wird dir als ahnungsloser weißer Touri versprochen, dass du natürlich mit diesem Bus genau dorthin kommst, wo du hinwillst und im Nachhinein sitzt du dann irgendwo im Nirgendwo, weil die Leute doch nur dein Geld wollten. Dann wird man rausgeschmissen und dir wird netterweise noch gesagt, wie du wirklich dahinkommst, wo du hinwillst. Gerade in entlegeneren Gegenden, wo es kaum Touristen gibt und man aufgrund seiner weißen Hautfarbe sofort auffällt, wird man schnell verarscht. Es wird natürlich auch immer gewartet, bis der gesamte Bus doppelt voll besetzt ist, damit es sich auch richtig lohnt. So wartet man manchmal ein, zwei Stunden bis es losgeht. Aber irgendwann weiß man das, sieht alles etwas lockerer und kann auch darüber lachen. Ein anderes leicht verwirrendes Thema waren die „Beachboys“, die einem andauernd hinterherlaufen, Sachen verkaufen wollen und einen meist mit ihrem Standardsatz in ein Gespräch verwickeln wollen: „Hey, do you remember me? You promised me yesterday you would buy something.“ Wenn man dann ganz perplex erwidert, dass  man erst vor einer Stunde angekommen sei, kommt sofort ganz vorwurfsvoll: „What? You don’t remember me? But I remember you! You wanted to buy something…“ Jaja, das habe ich wirklich sehr häufig zu hören bekommen… In Tansania war es auch üblich, jedem Menschen für ausnahmslos alles ein Trinkgeld zu geben. Wenn man zum Beispiel nur nach einer Straße gefragt hat und auch eine Erklärung bekommen hat, kam direkt im Anschluss der Satz: „Tip is ok.“, was eher eine Aufforderung ist. Manchmal wird man auch sehr dreist verarscht. Zum Beispiel konnten wir im Hostel in Mosambik unsere Wäsche waschen lassen und bekamen dafür eine Liste mit Preisen für jedes Kleidungsstück. Ich hatte meine Wäsche am Tag vorher abgegeben und die normalen Preise bezahlt. Als Rex, mein Schlafsaalmitbewohner mit seiner Wäsche ankam, strich die Frau auf der Liste einfach die Preise durch und schrieb das Doppelte dahinter. Ja, die Preise wären seit heute Morgen aufs Doppelte angestiegen. Alles klar.

Im Zusammenhang mit all den wundervollen Absonderlichkeiten habe ich übrigens eine Liste mit Dingen gemacht, die ich am meisten von zu Hause vermisse:

  1. deutsches Brot (ich glaube, das Problem kennt jeder, der Deutschland verlässt, auch wenn es nur in ein Nachbarland geht… Dunkles Brot/Körnerbrot ist leider eine Rarität.)
  2.  mein Fahrrad (in Autos und Bussen rumsitzen ist so langweilig, das ist mir vorher nie aufgefallen. In Berlin radle ich jeden Tag überall hin , die Freiheit und Flexibilität ist etwas, was ich hier wirklich zu schätzen lerne.)
  3.  meine Waschmaschine (mit Hand waschen nervt. Und dauert ewig. Und nichts wird richtig sauber.)
  4. Mülltrennung und -abfuhr (es ist vielerorts wirklich so unglaublich dreckig, die Umweltverschmutzung tut mir im Herzen weh. Aus dem offenen Autofenster wird Müll fast immer einfach auf die Straße geworfen. Und Mülleimer gibt es schon gar nicht. Echt schade.)
  5. trinkbares Leitungswasser (in Südafrika überall vorhanden, in Großteilen Afrikas nicht, dort kommen die Keime mit aus dem Hahn. Vorsicht ist geboten, selbst beim Zähneputzen. Wasserkaufen und -schleppen bzw. -abkochen musste ich mir auch erstmal wieder angewöhnen.)
  6. Anonymität (gerade in Gegenden, wo es kaum Weiße gibt, ist man gleich etwas ganz besonderes, wird von jedem angesprochen, teilweise auch angefasst, bekommt viel zu viele Heiratsanträge und wird auch häufig verfolgt. Irgendwann lernt man damit umzugehen und nimmt es mit Humor.)
  7. last but not least, ich kann es kaum glauben, dass sie es wirklich in meine Liste geschafft hat… die BVG! (jetzt wo ich längerfristig dem afrikanischen Vergleich ausgesetzt war erscheint es mir in Berlin überraschend zuverlässig, sauber, geräumig und zielführend… Hätte nie gedacht, dass ich das je sagen würde.)

Das waren jetzt mal ein paar negative Seiten des Alleinreisens in Afrika, die natürlich oft anstrengend sind, aber wenn es so wäre wie zu Hause, wäre es ja viel zu langweilig. Irgendwann lernt man das alles zu akzeptieren und locker und mit viel Humor zu sehen. Vor allem, da die positiven Erfahrungen deutlich überwiegen. Ich war wirklich begeistert, dass fast alle Menschen, die ich getroffen habe, sehr freundlich und hilfsbereit waren, sich wahnsinnig über Besucher gefreut haben und dich sofort nach Hause zur Familie zum Abendessen einladen wollten. So etwas erlebt man in Deutschland wirklich nie.

Gesundheitlich hatte ich zum Glück keine Probleme, obwohl es mancherorts extrem viele Mücken gab und ich kaum Malariaprophylaxe genommen habe. Und auch das Essen habe ich super vertragen ohne jegliche Lebensmittelvergiftungen, obwohl ich wirklich das billigste, authentischste und beste local food von der Straße gegessen habe. Naja, nach drei oder vier Afrikabesuchen ist das Immunsystem wahrscheinlich gegen einiges gewappnet.

Dass ich mich vegan ernähre, hat mich, bis ich in Südafrika angekommen bin, überhaupt nicht eingeschränkt. Im Gegenteil, es gibt überall leckeres Obst und Gemüse, Bohnen, Kartoffeln, Reis, Eintöpfe und vieles mehr. Oft waren die Leute sehr interessiert und positiv überrascht, wenn ich erzählt habe, was vegan sein bedeutet und warum ich mich so ernähre. Südafrika ist dagegen sehr fleischlastig. Sehr sehr sehr fleischlastig. Am bekanntesten ist das südafrikanische Barbeque, Braai, dass nur aus Fleisch besteht. Und das gibt es sehr häufig. Aber viele Leute denken auch ernsthaft, dass Hühnchen Gemüse ist und finden deshalb, dass sie gar nicht viel Fleisch essen. In den Supermärkten gibt es mindestens drei oder vier Fleischregalreihen und mindestens zwei Fleischtheken. Es gibt viel zu viel Fast Food, KFC ist an jeder Straßenecke und das sieht man vielen Leuten auch an…. 🙂

Ich wurde oft gefragt, was denn nun das Highlight meiner Reise war. Ich kann es echt nicht sagen. Ich habe so viele tolle Erfahrungen gemacht, da fällt es schwer zu sagen, was am besten war. Spontan muss ich natürlich den Kilimanjaro erwähnen, Nairobi, Mombasa, Tofo, Tauchen mit Haien und, was mich immer wahnsinnig glücklich macht, das Meer. Einfach nur dazusitzen und aufs Wasser zu schauen oder zum Geräusch der Wellen einzuschlafen oder am Strand spazieren zu gehen und Muscheln zu sammeln, davon kann ich wirklich nie genug kriegen. Glücklicherweise gibt es einiges an Meer in Kapstadt und Umgebung und ich hoffe, dass ich es so oft wie möglich zu sehen bekomme.

Von PE bis CT

In Port Elizabeth angekommen, habe ich im Hostel die beiden Engländer aus Durban, Lou und Cane, wiedergetroffen und da es einen Fehler bei unserer Schlafsaalbuchung gab, haben wir zum gleichen Preis einen „private room“ bekommen und konnten bis spät quatschen ohne andere Leute zu stören… Eine Wonne!

Am nächsten Tag haben wir die Stadt erkundet, da es Sonntag war, war alles außer der Kirche geschlossen. Und es waren auch so gut wie gar keine Menschen unterwegs, irgendwie gruselig. Die ganze Stadt schien wie ausgestorben. Trotzdem lässt es sich hier sicher gut leben, es gibt neben dem großen Hafen wunderschöne Strände und da es auch hier extrem windig ist, kann man viele Surfer beobachten.

 

Ich bin an den folgenden Tagen immer an der Küste entlang Richtung Kapstadt gefahren und habe einfach angehalten, wenn es mir irgendwo gefallen hat. Also fast überall. Manchmal habe ich einfach stundenlang dagesessen und die Wellen beobachtet. Die Strände und die Wellen sind so wunderschön, deshalb habe ich viele Strandspaziergänge unternommen, Muscheln gesammelt und nach Walen Ausschau gehalten, denn oft kann man die von der Küste aus sehen. Ich hatte leider bisher kein Glück…

Insgesamt hat mich diese Strecke etwas an der Highway Number One in Kalifornien erinnert…